In den vergangenen Jahren ist die öffentliche Debatte ĂŒber Geschlecht, SexualitĂ€t und biologische Grundlagen zunehmend emotional und politisch aufgeladen worden. Ein besonders aufschlussreiches Beispiel dafĂŒr ist die sogenannte "Causa Vollbrecht", in deren Verlauf wissenschaftliche Aussagen zur Zweigeschlechtlichkeit des Menschen unter öffentlichen Rechtfertigungsdruck geraten sind.
Die Causa Vollbrecht
Im Sommer 2022 wurde ein Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht im Rahmen der "Langen Nacht der Wissenschaften" an der Humboldt-UniversitĂ€t zu Berlin kurzfristig aufgrund von angekĂŒndigten Protesten des "Arbeitskreises kritischer Jurist*innen" an der HU Berlin abgesagt und auf einen spĂ€teren Termin verschoben. Titel des Vortrags: "Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt". Vollbrecht hatte darin die Evolution der Zweigeschlechtlichkeit erlĂ€utert und dargelegt, dass es aus biologischer Sicht zwei Geschlechter gibt – weiblich und mĂ€nnlich –, wie sie auf Basis der Anisogamie (also dem morphologischen Unterschied der Geschlechtszellen) definiert sind. Ihre Aussagen beruhen auf jahrzehntelang gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis. Dennoch wurde der Vortrag aufgrund von Sicherheitsbedenken im Kontext der angedrohten Proteste, insbesondere seitens Aktivisten aus der "queeren" Community, zunĂ€chst abgesagt.
Vereinnahmung der Biologie im Kulturkampf
Als Interessengemeinschaft fĂŒr Sexualbiologie setzen wir uns fĂŒr eine naturalistische, erkenntnisgeleitete Betrachtung menschlicher SexualitĂ€t und Geschlechtsentwicklung ein. Die fachlichen Aussagen von Marie-Luise Vollbrecht ĂŒber die Evolution der zwei Geschlechter stellen keine Meinung dar, sondern spiegeln den aktuellen Stand der biologischen Wissenschaft wider. Die Existenz zweier Geschlechter ist gut dokumentiert und in nahezu allen höher entwickelten Organismen zu beobachten, einschlieĂlich des Menschen.
Wissenschaftliche AufklĂ€rung muss auch dann Bestand haben, wenn sie mit gesellschaftlichen Strömungen in Konflikt gerĂ€t. Dass die Vermittlung biologischer Tatsachen als "transfeindlich" gebrandmarkt wird, ist nicht nur sachlich unbegrĂŒndet, sondern untergrĂ€bt auch die IntegritĂ€t wissenschaftlicher Diskurse.
Gleichzeitig sehen wir mit Sorge, dass biologische Tatsachen zunehmend vereinnahmt werden – nicht nur von ideologiegetriebenen Queer-Aktivisten, sondern auch von Akteuren, die wissenschaftliche Erkenntnisse benutzen, um gezielt gegen sogenannte "Transpersonen" Stimmung zu machen. Das widerspricht unserem SelbstverstĂ€ndnis als wissenschaftlich fundierte, aber humanistisch orientierte Gemeinschaft. Es ist ein Missbrauch der Biologie, wenn Fakten ĂŒber Geschlechtsunterschiede nicht der AufklĂ€rung dienen, sondern zur Ausgrenzung oder zur Delegitimierung von LebensrealitĂ€ten benutzt werden. Zugleich dĂŒrfen Forderungen nach Anerkennung subjektiver IdentitĂ€ten jedoch nicht bedeuten, dass objektive biologische Erkenntnisse geleugnet oder als "Hassrede" diffamiert werden.
Das Kiwi-Emoji: Statement und Stolperstein
In dieser Gemengelage ist das Kiwi-Emoji đ„ zu einem politisch aufgeladenen Symbol geworden. UrsprĂŒnglich von Vollbrecht als Beispiel fĂŒr Zweigeschlechtlichkeit in der Pflanzenwelt und als Hinweis auf problematische Wissenschaftskommunikation (siehe "GeschlechtsidentitĂ€t" bei Kiwis?) verwendet, wurde die Kiwi von bestimmten Online-Gruppen aufgegriffen, um sich gegen Transgenderpersonen zu positionieren. Kritiker werten dieses Symbol als transfeindliche Dog Whistle, andere als Ausdruck wissenschaftlicher Skepsis gegenĂŒber identitĂ€tspolitischen Tendenzen.
Wir sagen: Es ist legitim, sich mit einem Symbol wie der Kiwi zur biologischen RealitĂ€t von Zweigeschlechtlichkeit und einer faktenbasierten Wissenschaftskommunikation zu bekennen. Die biologische Tatsache, dass es zwei reproduktive Geschlechter gibt, sollte weder ein Tabu sein noch zum Ziel politischer Zensur werden. In diesem Sinne kann das Kiwi-Emoji – sofern verantwortungsvoll verwendet – ein Zeichen fĂŒr wissenschaftliche Redlichkeit sein.
Problematisch wird es dann, wenn ein solches Symbol instrumentalisiert wird, um pauschal gegen Transgender zu hetzen oder bewusst MissverstĂ€ndnisse zu schĂŒren. Wer Biologie benutzt, um gesellschaftliche Ausgrenzung zu rechtfertigen, pervertiert die Wissenschaft zum Werkzeug eines Kulturkampfes. Davor möchten wir als IG Sexualbiologie warnen.
Position der IG Sexualbiologie
Wir stehen hinter den fachlich-wissenschaftlichen Aussagen von Marie-Luise Vollbrecht zum Thema Zweigeschlechtlichkeit, erkennen jedoch an, dass sie diese vor allem auĂerhalb beruflicher Kontexte aus einem klar erkennbaren aktivistisch-feministischen Antrieb heraus formuliert, bei dem biologische Fakten mitunter als rhetorisches Mittel im kulturpolitischen Streit eingesetzt werden. In ihrer öffentlichen Kommunikation wĂ€hlt sie teils Formulierungen, die von Transgendern als provokant oder verletzend empfunden werden können. So schrieb sie auf der Plattform X etwa ĂŒber "Grunzende TransmĂ€nner, die sich ihren Sockenpensi in der MĂ€nnerumkleide rubbeln":
Dieses und weitere Zitate wurden zwar von Aktivisten und nicht minder aktivistischen Journalisten hĂ€ufig aus dem Kontext gerissen, da Vollbrecht damit in erster Linie aufzeigen wollte, dass Autogynophilie und transvestitischer Fetischismus keine typischen PhĂ€nomene von Frauen ist, sondern ĂŒberwiegend MĂ€nner (und somit auch MĂ€nner, die sich fĂŒr Frauen halten oder als solche ausgeben) betrifft – fachlich betrachtet ein zutreffender Hinweis. Gleichwohl implizieren solche Wortwahlen trotz ihrer ĂŒberspitzten Ironie, dass insbesondere sogenannte "Transfrauen" pauschal als "pervers" betrachtet werden, was einer differenzierten, sachlich-nĂŒchternen Debatte abtrĂ€glich ist.
Als IG Sexualbiologie vertreten wir zwar im Grundsatz ebenfalls die Position, dass der Genderbegriff "Frau" einzig und allein aus der Biologie des weiblichen Geschlechts heraus verstanden werden sollte – wohl wissend, dass aus den Reihen der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung Kritik daran geĂ€uĂert wird, mit der BegrĂŒndung, dass "Frau" kein naturwissenschaftlicher Fachterminus wie "weiblich" oder "Weibchen" sei, sondern ein sozial und kulturell geprĂ€gter Genderbegriff, der sich zwar historisch aus der biologischen Einteilung ableitet, im gesellschaftlichen Diskurs jedoch nicht zwingend starr definiert sein mĂŒsse. Diese Meinung nehmen wir zu Kenntnis, teilen sie allerdings nicht. Dennoch lĂ€sst unsere Position Spielraum fĂŒr eine differenzierte Betrachtung von TransidentitĂ€ten. Nur weil aus unserer Sicht sogenannte "Transfrauen" keine Frauen sind (und dies auch nie sein werden), bedeutet das nicht zwangslĂ€ufig, dass wir die Gleichberechtigung von Transgendern in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten kategorisch ablehnen. Frei nach § 90a BGB analogisiert: "Transfrauen" sind zwar keine Frauen, auf sie können aber unter bestimmten Voraussetzungen die fĂŒr Frauen geltenden Vorschriften angewandt werden – eine differenzierte Position, die die Kollegin Vollbrecht mutmaĂlich nicht teilen wird.
Unser Appell
- Wissenschaft braucht Freiheit, auch wenn ihre Ergebnisse unbequem sind.
- Biologie erklÀrt nicht alles, aber sie darf nicht durch Ideologie ersetzt werden.
- Transgender und Biowissenschaftler sind keine Gegner, sofern beide Seiten bereit sind, Differenzierung zuzulassen.
- Symbole wie das Kiwi-Emoji sollten nicht zur Frontlinie eines Kulturkriegs verkommen.
In diesem Sinne stehen wir fĂŒr eine klare Trennung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Instrumentalisierung sowie fĂŒr eine sexualbiologische AufklĂ€rung, ohne zu spalten.

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