Transsexualität

Beim Thema "Transsexualität" bedarf es zunächst einer klaren und fachlich sauberen Begriffsdefinition. Unter dem zunehmend undifferenzierten Schirmbegriff "trans*" werden heute von verschiedenen aktivistischen, aber auch institutionellen Akteuren sehr unterschiedliche Phänomene zusammengefasst, die biologisch, psychologisch und sozial kaum vergleichbar sind.

Die mittlerweile aufgelöste Vereinigung TransSexuelle Menschen e.V. (VTSM) hatte bis 2024 eine differenzierte (wenn auch aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht durchgängig präzise) Unterscheidung vorgenommen (siehe Archivlink). Demnach bezeichnete "Transsexualität" Personen, deren angeborenes, neuronales Geschlechtsempfinden nicht mit den körperlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt – verbunden mit dem Ziel, eine körperliche Angleichung an dieses tief verankerte Geschlechtsempfinden vorzunehmen. "Transgender" hingegen stand für Personen, die in einer vom Geburtsgeschlecht abweichenden Geschlechtsrolle leben, ohne notwendigerweise eine medizinische Transition anzustreben. Hier stand die soziale und kulturelle Geschlechtsidentität (von der VTSM als "Gender" bezeichnet) im Vordergrund.

Als Interessengemeinschaft für Sexualbiologie unterstützen wir diese Differenzierung, kritisieren jedoch die gewählten Begriffe. Denn aus enger sexualbiologischer Sicht ist der Begriff "Transsexualität" missverständlich, weil er einen biologischen Wechsel der Geschlechtsfunktion bezeichnet – also die Umstellung von der Produktion männlicher zu weiblicher Geschlechtszellen (Gameten) oder umgekehrt (vgl. Sexualität). Solche transitionsbiologischen Prozesse sind beispielsweise bei konsekutiven Hermaphroditen (Konsekutivzwittern) im Tierreich bekannt, nicht jedoch beim Menschen. Beim Menschen bleibt die potenzielle Gametenproduktion und damit das Geschlecht (Sexus) nach dessen pränataler Entwicklung zeitlebens konstant. Die Anwendung des Begriffs "Transsexualität" auf Menschen impliziert fälschlich eine tiefgreifende biologische Transformation, die so nicht stattfindet.

Stattdessen ist der Begriff "Transgender" aus biologischer Perspektive präziser. "Gender" bezeichnet im biologischen Kontext die phänotypische Ausprägung geschlechtsspezifischer Merkmale und Verhaltensweisen als Folge des Sexus und damit die geschlechtsbezogene Rolle eines Individuums im Rahmen der Fortpflanzung (siehe Was bedeutet "Gender" aus biologischer Sicht?). Der Sexus wird universell auf Basis des mikroskopisch-zellulären Unterschieds der Morphologie der Geschlechtszellen (Ansiogamie) in männlich/Männchen bzw. weiblich/Weibchen unterschieden, während Gender die adulten (und damit potenziell reproduktiven) Geschlechtsindividuen der jeweiligen Spezies adressiert – beispielsweise Eber und Sau bei Schweinen, Täuber und Täubin bei Tauben oder Mann und Frau bei Menschen. Eine Umdeutung des biologischen Fachbegriffes "Gender" durch Soziologen als sogenanntes "soziales Geschlecht" lehnen wir ab. Menschen, die aufgrund einer angeborenen neuronalen Anomalie (von der VTSM als "Neuro-Genitales Syndrom" bezeichnet; von Haupt (2016) als "neurointersexuelle Körperdiskrepanz" diskutiert [1]) an einer intrinsischen Geschlechtsdysphorie leiden und ihre körperlichen Geschlechtsmerkmale im Rahmen einer medizinischen Transition angleichen lassen, verändern nicht ihre gametogene Funktion, sondern führen Änderungen an ihrer makroskopischen Geschlechtsausprägung durch. In diesem Sinne sollte in wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kommunikation, insbesondere im streng naturalistischen Kontext der Sexualbiologie, der Begriff "Transgender" bevorzugt verwendet werden, um biologisch korrekt zwischen zellulärer Reproduktionsfunktion (als Basisdefinition von "Geschlecht" = Sexus) und phänotypischer Geschlechtsausprägung (als Folge des Geschlechts = Gender) zu unterscheiden.

Diese präzise Unterscheidung gewinnt zusätzlich an Bedeutung im medizinischen Kontext. In der ICD‑10 galt "Transsexualismus" (F64.0) noch als "Störung der Geschlechtsidentität" – also als pathologischer Zustand [2]. Seit Januar 2022 ersetzt ICD‑11 diesen Begriff durch "Geschlechtsinkongruenz", kategorisiert als entpathologisierten Zustand sexueller Gesundheit im Kapitel "Conditions related to sexual health" [3]. Über 50 Jahre hinweg wandelte sich der Diskurs somit von einer somatisch orientierten Diagnose hin zu psychischen Konzepten (DSM‑5 Geschlechtsdysphorie, ICD‑11 Geschlechtsinkongruenz, Begriff "Transidentität"), wodurch der materielle Geschlechtskörper im professionellen Diskurs zunehmend "verflüchtigt" wurde [4].

Dieser Paradigmenwechsel spiegelt einen breiteren gesellschaftlichen wie fachlichen Trend wider. Die frühere Fixierung auf körperlich-pathologische Erklärungsansätze wurde durch psychologische und identitätsbezogene Modelle ergänzt oder ersetzt, was einerseits zur Entstigmatisierung beigetragen hat, andererseits aber auch dazu geführt hat, dass die körperlich-sexuelle Dimension transgeschlechtlicher Erfahrungen im professionellen Diskurs zunehmend ausgeblendet wurde.

Gerade im sexualbiologischen Kontext halten wir es deshalb für essenziell, sowohl terminologische Präzision als auch biologische Fundierung zu wahren. Wir unterscheiden deshalb klar zwischen:

Transsexualität

Der Begriff "transsexuell" suggeriert einen biologischen Geschlechtswechsel – also eine Veränderung der Fortpflanzungsfunktion von der Produktion männlicher zu weiblicher Gameten oder umgekehrt. Ein solcher Wechsel ist beim Menschen jedoch nicht möglich und tritt ausschließlich bei bestimmten Organismen mit konsekutivem Hermaphroditismus auf. Die Verwendung des Begriffs im menschlichen Kontext ist daher biologisch irreführend.

Transgender

"Transgender" bezeichnet Personen, die eine körperliche Transition anstreben oder durchlaufen, um ihr äußeres Erscheinungsbild an ihr angeborenes, neuronales Geschlechtsempfinden anzugleichen. Im Gegensatz zur biologischen Geschlechtsfunktion betrifft die Transition hier die phänotypische Geschlechtsausprägung (Gender), nicht die zelluläre Reproduktionsbiologie (Sexus).

Abzugrenzende Differenzialdiagnosen

Neben einer klaren Begriffsbestimmung der Transgeschlechtlichkeit ist es ebenso notwendig, auf Phänomene hinzuweisen, die in der öffentlichen und aktivistischen Kommunikation häufig unter dem Sammelbegriff "trans*" – von der VTSM als Platzhalter ("Wildcard") für alle Geschlechtsvarianzen bezeichnet – mitgeführt werden, obwohl sie differenzialdiagnostisch davon deutlich zu unterscheiden sind. Die Verwendung indifferenter Oberbegriffe führt zu einer fachlich unhaltbaren Vermengung, die nicht nur die wissenschaftliche Genauigkeit untergräbt, sondern auch erhebliche soziale und medizinische Folgen nach sich zieht.

Ein erstes abzugrenzendes Störungsbild ist die körperdysmorphe Störung (auch Dysmorphophobie oder Körperdysmorphie (KBD) genannt), bei der Betroffene eine übersteigerte und meist unbegründete Wahrnehmung eines Makels am eigenen Körper entwickeln – etwa in Bezug auf Nase, Haut oder Extremitäten [5]. Diese Fehlwahrnehmung kann sich auch auf geschlechtliche Körpermerkmale beziehen und somit den äußeren Anschein einer Geschlechtsdysphorie erwecken, obwohl die zugrundeliegende Pathologie eine andere ist. In Studien mit hunderten Betroffenen wurde u. a. festgestellt, dass von dieser affektierten Störung betroffene Männer häufiger über ihre Genitalien, Muskelaufbau oder Haarausfall besorgt sind, Frauen häufiger über Haut, Gewicht oder Brust [6]. Eine in der medizinischen Literatur manchmal der KBD untergeordnete, manchmal als eigenständige Erkrankung abgegrenzte Störung ist die Körperintegritätsidentitätsstörung (Body Integrity Disorder; BID), bei der Personen einen krankhaften Wunsch haben, eine körperliche Behinderung zu erlangen, zum Beispiel Blindheit, Querschnittslähmung oder die Amputation eines Körperteils, da es nicht zu ihrer Identität gehört. Anders als bei einer neurobiologisch verankerten Transgeschlechtlichkeit fehlt hier allerdings das konsistente, lebenslange und kontextübergreifende Geschlechtswissen, das den Transitionswunsch bei Transgender-Personen kennzeichnet.

Ein weiteres, zunehmend dokumentiertes, aktuell jedoch nicht "offiziell" anerkanntes Phänomen ist die sogenannte Rapid-Onset Gender Dysphoria (ROGD) [7]. Hierbei entwickelt sich eine plötzliche Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, erst im Zusammenhang mit externen Einflüssen wie sozialer Gruppenzugehörigkeit, psychischen Belastungen oder familiären Spannungen. ROGD ist keine neurologisch angelegte Form der Transgeschlechtlichkeit, sondern wird vielmehr als reaktive psychische Störung verstanden, die extrinsisch – etwa durch mediale Vorbilder, soziale Netzwerke oder dysfunktionale Bewältigungsstrategien – ausgelöst werden kann. Erste Studien und Fallberichte weisen darauf hin, dass in solchen Fällen voreilige (vor allem medizinische) Transitionen mehr Schaden als Nutzen verursachen können.

Als nächstes differenzialdiagnostisch relevantes Phänomen ist der transvestitische Fetischismus (auch als fetischistischer Transvestitismus bezeichnet) zu nennen [8]. Hierbei handelt es sich um ein Verhalten, bei dem das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung primär der "sexuellen" Erregung dient. Im Unterschied zur Transgeschlechtlichkeit, bei der ein dauerhaftes und identitätsbezogenes Geschlechtsempfinden im Widerspruch zum körperlichen Geschlecht steht, ist der transvestitische Fetischismus nicht identitätsbezogen, sondern tritt in der Regel im Rahmen erotischer Fantasien oder Handlungen auf. Die betroffene Person identifiziert sich nicht dauerhaft mit dem anderen Geschlecht und strebt keine medizinische Transition an. In der ICD-10 war der transvestitische Fetischismus noch als eigene paraphile Störung im Kapitel der "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" klassifiziert [9].

Vergleichbar, aber nicht identisch ist die Autogynophilie. Dieser vom US-amerikanischen Sexualwissenschaftler und Psychologen Ray Blanchard geprägte Begriff beschreibt eine Paraphilie, bei der sich ein männlicher Mensch durch die Vorstellung, eine Frau zu sein, erregt fühlt [10]. Die Fantasie kann sich auf einzelne körperliche Merkmale (z. B. Brust, Stimme) oder auf das vollständige Erleben einer weiblichen Existenz beziehen. Anders als beim transvestitischen Fetischismus ist das Tragen von Frauenkleidung nicht zwingend erforderlich, um die Erregung auszulösen – es kann jedoch Teil der Fantasie sein. Autogynophile Neigungen können sich über die Jahre verstärken und mit einem Wunsch nach sozialer oder körperlicher Transition einhergehen, sind jedoch im Ursprung eine paraphile Präferenz und nicht identisch mit einer angeborenen geschlechtlichen Inkongruenz. Fachlich wird diskutiert, inwieweit Autogynophilie eine eigenständige Differenzialdiagnose oder eine Unterform des transvestitischen Fetischismus darstellt.

Schließlich ist auch das im Internet zirkulierende Phänomen des sog. "Transmaxxing" zu nennen. Hierbei handelt es sich nicht um ein medizinisch anerkanntes Störungsbild, sondern um eine sozial motivierte Selbstinszenierung, bei der vorrangig Männer – oft aus misogynen oder nihilistischen Weltbildern heraus – eine Transition zum weiblichen Geschlecht als "Lösung" für eigene psychische Frustrationen propagieren. Ziel ist dabei nicht die Angleichung an ein konsistentes inneres Geschlechtsempfinden, sondern eine instrumentelle Nutzung medizinischer Maßnahmen zur Flucht aus männlich codierten Rollenerwartungen. Im weitesten Sinne ist darunter auch die Änderung des Geschlechtseintrags zum Zwecke der Vorteilserschleichung (z. B. Zugang zu Frauenschutzräumen, zu Stellen oder Mandaten via Quotenregelungen sowie in sportlichen Kontexten) zu verstehen. Transmaxxing ist damit nicht nur klar von einer validen Transgeschlechtlichkeit zu unterscheiden, sondern steht ihr in vielen Fällen direkt entgegen.

Unsere Position

Wir als IG Sexualbiologie sehen sowohl die Entpathologisierung dieser sehr unterschiedlichen Phänomene durch die WHO als auch die strategische Vermischung unterschiedlicher Pathologien durch bestimmte Trans-Verbände kritisch. Wenn keine klaren diagnostischen Grenzen mehr gezogen werden, sinkt nicht nur die medizinische Präzision, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz für diejenigen Menschen, die tatsächlich unter einer stabilen und zumeist behandlungsbedürftigen Geschlechtsinkongruenz leiden. Bereits heute äußern ideologisch-konservativ motivierte Gegner jeder Form von alternativen Lebensrealitäten Zweifel daran, ob eine medizinisch nicht mehr als Krankheit deklarierte Transidentität weiterhin über das Solidarsystem finanziert werden sollte, zumal die nur noch als behandlungsbedürftig anerkannten Komorbiditäten wie Depressionen, soziale Ängste etc. schließlich nicht mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen behandelt werden.

Eine medizinisch-therapeutische Versorgung kann perspektivisch aus unserer Sicht daher nur dann (sach)gerecht bleiben, wenn zwischen neurobiologisch fundierter Geschlechtsinkongruenz und psychisch oder sozial induzierten Symptombildern mit ihren individuellen Behandlungsmethoden konsequent unterschieden wird.

Als IG Sexualbiologie befassen wir uns u. a. mit der menschlichen Sexualität aus naturwissenschaftlicher Perspektive. Begriffe wie "Mann/Junge" und "Frau/Mädchen" werden von uns daher im biologischen Sinn verwendet – also basierend auf dem tatsächlichen Geschlecht (Sexus), das durch die potenzielle Produktion eines bestimmten Gametentypus definiert ist. Dies dient der wissenschaftlichen Klarheit und stellt keine Wertung individueller Geschlechtsidentitäten dar.

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Quellen

[1] Haupt, Horst-Jörg. "Neurointersexuelle Körperdiskrepanz: Grundsätzliche Überlegungen in Richtung neurophänomenologischer Zugänge zu Mustern geschlechtlicher Vielfalt". Transsexualität in Theologie und Neurowissenschaften: Ergebnisse, Kontroversen, Perspektiven, edited by Gerhard Schreiber, Berlin, Boston: De Gruyter, 2016, pp. 75-120. https://doi.org/10.1515/9783110434392-007

[2] ICD-10-GM-2025: F65.0 Transsexualismus

[3] ICD-11: Gender incongruence

[4] Rauchfleisch, U. Trans* und Körper. Z Psychodrama Soziom 22 (Suppl 1), 43–54 (2023). https://doi.org/10.1007/s11620-023-00719-7

[5] Katharina Schieber, Ines Kollei, Martina de Zwaan, Alexandra Martin, Classification of body dysmorphic disorder — What is the advantage of the new DSM-5 criteria?, Journal of Psychosomatic Research, Volume 78, Issue 3, 2015, Pages 223-227, ISSN 0022-3999, https://doi.org/10.1016/j.jpsychores.2015.01.002.

[6] PHILLIPS, KATHARINE A. M.D.; DIAZ, SUSAN F. M.D.1. Gender Differences in Body Dysmorphic Disorder. The Journal of Nervous & Mental Disease 185(9):p 570-577, September 1997.

[7] Meredith Wadman, ‘Rapid onset’ of transgender identity ignites storm. Science 361, 958-959 (2018). DOI: 10.1126/science.361.6406.958

[8] Blanchard, R. The DSM Diagnostic Criteria for Transvestic Fetishism. Arch Sex Behav 39, 363–372 (2010). https://doi.org/10.1007/s10508-009-9541-3


[10] BLANCHARD, RAY PH.D.1. The Concept of Autogynephilia and the Typology of Male Gender Dysphoria. The Journal of Nervous and Mental Disease 177(10):p 616-623, October 1989. https://doi.org/10.1097/00005053-198910000-00004

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