Was ist Sexualität?

Umgangssprachlich wird Sexualität häufig als "sexuelle Orientierung" missverstanden. Im humanmedizinischen sowie psychologischen Kontext sind damit meistens alle Verhaltensweisen und Prozesse mit Bezug zum Geschlecht gemeint. Die Biologie ist da eindeutiger.

Bereits Carl von Linné (1707-1778), der mit der binären Nomenklatur eine der Grundlagen der modernen biologischen Taxonomie erfand, beschäftigte sich als Student in seinem Manuskript "Praeludia Sponsaliorum Plantarum" (1729) mit der Sexualität von Pflanzen und beschrieb diese in seinem Hauptwerk "Systema Naturae" (1735) [1][2]. Er betont darin, dass Pflanzen sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane besitzen können und dass ihre Fortpflanzung durch die Interaktion dieser Organe erfolgt.

Die erste klare und auch heute noch gültige Definition von Sexualität lässt sich auf den deutschen Botaniker Julius Sachs (1832-1897) zurückführen. In der Erstauflage seines "Lehrbuchs der Botanik" aus dem Jahr 1868 beschreibt Sachs das Wesen der Sexualität wie folgt:

„Das Wesen der Sexualität liegt darin, dass im Verlauf der Entwicklung der Pflanze zweierlei Zellen erzeugt werden, die einzeln für sich nicht weiter entwicklungsfähig sind, aus deren materieller Vereinigung aber ein entwicklungsfähiges Product hervorgeht.“

Sachs definierte Sexualität demnach im Kontext des zellulären Prozesses der Verschmelzung männlicher und weiblicher Geschlechtszellen (Syngamie) [3].

Charles Darwin verwendete in seinem Werk "The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex" (1871) den Begriff "Sex", um männliche und weibliche Individuen einer Spezies zu unterscheiden, basierend auf ihren reproduktiven Funktionen [4]. Er beschrieb Geschlechter als getrennte Kategorien, die durch anatomische und physiologische Merkmale definiert sind, die für die Fortpflanzung entscheidend sind. Diese Unterschiede sind für seine Theorie der sexuellen Selektion zentral, da sie die Grundlage für die Entwicklung spezifischer Merkmale bilden.

Darwin beschrieb Sexualität nicht explizit als eigenständiges Konzept mit einer klaren Definition, sondern behandelte sie implizit im Kontext der sexuellen Selektion als Mechanismus, der die Fortpflanzung und die Entwicklung von Geschlechtsunterschieden beeinflusst. Er führte die sexuelle Selektion als einen Mechanismus ein, der neben der natürlichen Selektion wirkt. Sie beschreibt, wie bestimmte Merkmale (z. B. auffällige Gefiederfarben, Geweihe) durch den Wettbewerb um Paarungspartner oder durch Partnerwahl (meist weibliche Wahl) entstehen. Sexualität ist hier eng mit Fortpflanzung verbunden, wobei Darwin betont, dass die Präferenzen und Verhaltensweisen der Geschlechter die Evolution beeinflussen.

Wenn im biologischen Kontext von Sexualität die Rede ist, ist damit also das Vorhandensein unterschiedlicher Geschlechtszellenproduzenten innerhalb einer Art gemeint, die mittels Syngamie (Sex) und Geschlechtern (Sexus) eine Neukombination der DNA ermöglichen. Die Begriffe Sex, Sexus und Sexualität stehen demnach allesamt in einem engen thematischen Zusammenhang.

Von der Sexualität abzugrenzen ist die Erotik. Dieser Begriff wird umgangssprachlich ebenfalls häufig missverstanden. Abgeleitet wird er vom griechischen Gott der begehrenden Liebe namens "Eros". Es geht hierbei also um sinnliches Verlangen und die durchaus körperliche Anziehung zu einem anderen Individuum. Die Phänomene, die umgangssprachlich als "sexuelle Orientierung" bezeichnet werden, bewegen sich somit nicht im Rahmen der Sexualität, weil die Reproduktion z. B. bei gleichgeschlechtlichen Paarkonstellationen des Menschen nicht gegeben ist, sondern im Rahmen der Erotik. Erotische Handlungen führen bei gegengeschlechtlichen Paarungen ggf. zu Sex (im Sinne der Gametenkopulation), sind jedoch nicht mit Sex und Sexualität gleichzusetzen.

Aus diesem Grund gibt es bei der zweigeschlechtlichen (bisexuellen) Spezies Homo sapiens nur Heterosex. "Homosexualität", "Intersexualität" oder "Transsexualität" gibt es beim Menschen im biologischen Sinne somit nicht.

Quellen

[1] Linnaeus, C. (1729): Praeludia Sponsaliorum Plantarum. Uppsala.

[2] Linnaeus, C. (1735): Systema Naturae. Apud Theodorum Haak, Leiden.

[3] Sachs, J. (1868): Lehrbuch der Botanik. Wilhelm Engelmann, Leipzig.

[4] Darwin, C. (1871): The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex. John Murray, London. 

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