Samstag, 19. Oktober 2024

Ärztin: Spermafressender Analwurm verursacht "Homosexualität"

Die kuwaitische Ärztin Dr. Mariam Al-Sohel behauptete vor einigen Jahren in einem Fernsehinterview, "Homosexualität" (fachlich korrekt Homoerotik) würde durch einen "Analwurm" verursacht, der sich von Sperma ernähre:


Sie vertritt die Auffassung, dass dieser Wurm bei häufigem Analverkehr im Körper entstehe und so homoerotische Neigungen verursache. Als "Therapie" bietet sie spezielle Zäpfchen auf pflanzlicher Basis an, die diesen Wurm angeblich abtöten und damit "Homosexualität heilen" sollen. Zusätzlich empfiehlt sie eine spezielle Ernährung zur Bekämpfung der angeblichen parasitären Ursache. Sie bezeichnet ihr Verfahren als Teil der "prophetischen Medizin" und behauptet, es sei religiös und wissenschaftlich fundiert.

Parasitäre Erreger und Verhalten

Es ist biologisch korrekt, dass Parasiten das Verhalten ihres Wirts manipulieren können. Ein bekanntes Beispiel ist Toxoplasma gondii, das Ratten katzenfreundlich macht. Bei Menschen gibt es Studien, die Korrelationen zwischen Toxoplasma‑Infektion und Veränderungen im Sexualverhalten zeigen – jedoch sind diese Effekte sehr spezifisch (z. B. gesteigertes Interesse an BDSM bei Männern) und keineswegs eine Ursache für homoerotisches Verhalten [1]. Studien über Darmparasiten bei schwulen Männern zeigen lediglich, dass bestimmte Praktiken (wie ungeschützter Anogenitalverkehr) häufiger zu enterischen Infektionen führen, ohne dass das etwas mit der erotischen Neigung zu tun hätte [2].

Homoerotik: ein komplexes Phänomen – nicht pathologisch

Die etablierte Wissenschaft erkennt homoerotisches Verhalten nicht als Krankheit oder Fehlentwicklung. Körperliche, psychologische und genetische Forschungen zeigen, dass die erotische Präferenz (umgangssprachlich "sexuelle Orientierung") aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren entsteht (primär genetische, epigenetische und hormonelle, teilweise soziale) und weitgehend vor der Geburt fixiert ist.

Warum solche Mythen problematisch sind

Als Realwissenschaftler fühlen wir uns einer atheistischen Weltanschauung basierend auf dem naturalistischen Materialismus verpflichtet. Aus unserer Sicht stellt der Rückgriff auf sogenannte "prophetische Medizin" ein grundlegendes Problem dar, weil er medizinisches Wissen nicht aus überprüfbaren, empirischen Befunden, sondern aus religiösen Offenbarungen ableitet. Derartige Konzepte basieren weniger auf Wissenschaft als auf Autoritätsglauben und hermeneutischer Auslegung jahrhundertealter Texte. Dies führt dazu, dass symbolische oder moralische Deutungen über biologische Prozesse gestellt werden – eine Denkweise, die dem modernen Verständnis von evidenzbasierter Medizin diametral entgegensteht.

In ihrer Struktur ähnelt die "prophetische Medizin" der Homöopathie: Beide Systeme berufen sich auf dogmatische, weitgehend immunisierte Weltbilder, die sich gegenüber Falsifikation durch empirische Forschung verschließen. Während Homöopathie auf esoterischen Analogien ("Ähnliches mit Ähnlichem heilen") basiert, setzt die "prophetische Medizin" auf theologische Plausibilität statt biologische. In beiden Fällen werden menschliche Leidenszustände mit vorgestanzten Erklärungs- und Heilungsmodellen abgearbeitet, was einer ernsthaften, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Sexualbiologie im Wege steht.

Durch die Pathologisierung überzieht Al-Sohel homoerotische Neigungen mit krankhaften, behandelbaren Bildern und stigmatisiert damit Betroffene. Behauptungen, homoerotische Veranlagungen seien therapierbar, führte in der Vergangenheit zu schädlichen "Konversionstherapien". Ferner gefährden ihre unbewiesenen Sensationsbehauptungen das Vertrauen in echte medizinische Forschung.

Fazit

Die Behauptung, "Homosexualität" könne durch einen Wurm verursacht und mit pflanzlichen Zäpfchen geheilt werden, ist aus wissenschaftlicher Sicht vollkommen haltlos. Es handelt sich um eine unbelegte Behauptung, die getrost abgewiesen werden kann. Sie entspringt einem pseudomedizinischen Weltbild, das medizinische Kategorien mit religiöser Moral vermengt. Die pathologisierende Darstellung homoerotisch veranlagter Menschen ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Sie nährt Vorurteile, befeuert Stigmatisierung und ebnet den Weg für schädliche "Therapieangebote". Wissenschaft und Gesellschaft müssen solchen Behauptungen mit Aufklärung und kritischem Denken entgegentreten.

Quellen:

[1] Flegr, J., & Kuba, R. (2016). The Relation of Toxoplasma Infection and Sexual Attraction to Fear, Danger, Pain, and Submissiveness. Evolutionary Psychology, 14(3). 
https://doi.org/10.1177/1474704916659746 (Original work published 2016)

[2] Keystone JS, Keystone DL, Proctor EM. Intestinal parasitic infections in homosexual men: prevalence, symptoms and factors in transmission. Can Med Assoc J. 1980 Sep 20;123(6):512-4. PMID: 7437971; PMCID: PMC1704818.

Samstag, 5. Oktober 2024

Deep-Learning-Modelle enthüllen Geschlechtsunterschiede des menschlichen Gehirns


Wie unterschiedlich sind eigentlich weibliche und männliche Gehirne und wie verlässlich lassen sich solche Unterschiede nachweisen? Diese Frage begleitet die Sexualbiologie seit Jahrzehnten, doch die wissenschaftlichen Antworten fielen lange erstaunlich widersprüchlich aus. Je nach Studie, Methode und Stichprobe reichten die Ergebnisse von "deutlichen Unterschieden" bis hin zur These vom "Gehirn-Mosaik", wonach es im Grunde keine klar trennbaren Muster gebe. Ein neues Paper von Ryali et al. (2024), veröffentlicht in PNAS, bringt nun frischen Schwung in diese Debatte. Mit modernen Deep-Learning-Techniken und riesigen Datensätzen zeigen die Forscher: Es existieren robuste, wiederholbare und verhaltensrelevante Unterschiede in der funktionellen Organisation weiblicher und männlicher Gehirne. Und diese Unterschiede sind deutlich stabiler und eindeutiger, als viele frühere Arbeiten vermuten ließen.

Ein neues Werkzeug für eine alte Frage

Der Kern des Papers ist ein eigens entwickeltes "spatio­temporales Deep Neural Network" (stDNN), das funktionelle MRT-Daten (fMRT) in einer Weise analysieren kann, die weit über klassische Methoden hinausgeht. Statt wie üblich nur die durchschnittlichen Verbindungen zwischen Hirnregionen zu berechnen, arbeitet das Modell direkt mit den Roh-Zeitsignalen der fMRT-Aufnahmen. Dadurch kann es dynamische Muster und Veränderungen in der Aktivität und Vernetzung des Gehirns erkennen, die mit herkömmlichen Ansätzen kaum sichtbar werden. Diese technische Innovation ist entscheidend, denn sie erlaubt eine weitaus feinere Analyse jener Prozesse, die Geschlechtsunterschiede in der Gehirnfunktion ausmachen.

Das Team trainierte das KI-Modell zunächst an einer großen Stichprobe junger Erwachsener aus dem Human Connectome Project (HCP). Anschließend wurde getestet, ob es ohne erneutes Training dieselben Unterschiede auch in anderen Sitzungen derselben Personen und sogar in völlig unabhängigen Datensätzen wiederfindet – eine Art "Härtetest", den neurobiologische Studien selten bestehen. Das Modell unterschied dabei weibliche von männlichen Gehirnen in den ursprünglichen HCP-Daten mit über 90 Prozent Genauigkeit und immer noch mit über 80 Prozent in vollständig unabhängigen Kohorten. Das bedeutet zweierlei: Erstens gibt es in der funktionellen Dynamik des Gehirns tatsächlich systematische Geschlechtsunterschiede. Und zweitens sind diese Unterschiede stabil genug, um sie in verschiedenen Scannerumgebungen, Datensätzen und Messzeitpunkten zuverlässig zu erkennen.

Diese hohe Reproduzierbarkeit ist ein Novum in der Debatte um Geschlechtsunterschiede im Gehirn, die in den letzten Jahren immer wieder durch inkonsistente Studienergebnisse verunsichert wurde – vor allem seitens der vehementen Einordnung durch soziologische Gender-Theoretiker, die mit soziokulturellen Argumenten jeden objektiv messbaren Geschlechtsdimorphismus zu dekonstruieren versuchen. Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass die wissenschaftliche Diskussion weniger an fehlenden Unterschieden litt, sondern eher an unzureichenden Methoden, um sie sichtbar zu machen.

Welche Hirnnetzwerke unterscheiden sich besonders?

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz konnte das Team identifizieren, welche Hirnregionen und Netzwerke maßgeblich zur Unterscheidung beitragen. Besonders bedeutsam waren drei funktionelle Systeme:

Das Default Mode Network (DMN)

Dieses Netzwerk, das in Ruhe aktiv ist und mit Selbstreflexion, inneren Gedanken und autobiografischem Gedächtnis in Verbindung steht, zeigte die stärksten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mehrere zentrale Regionen – etwa der Precuneus, die dorsolaterale und ventromediale präfrontale Hirnrinde sowie der posterior cinguläre Cortex – trugen signifikant zur Klassifikation bei. Die Effektgrößen waren außergewöhnlich groß, ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Geschlechtsunterschiede in diesem Netzwerk konsistent ausgeprägt sind.

Das Striatum

Dieses tief im Gehirn liegende System spielt eine wichtige Rolle bei Lernen, Belohnungsverarbeitung und Gewohnheitsbildung. Schon anatomische Studien hatten Hinweise auf Geschlechtsunterschiede im Striatum (Corpus striatum) geliefert, doch das neue Modell zeigt, dass diese sich auch funktionell stark bemerkbar machen.

Das limbische Netzwerk

Zu diesem System gehören unter anderem Strukturen, die für Emotionen und Belohnungsbewertung wichtig sind, etwa die orbitofrontale Hirnrinde. Auch hier fanden die Forscher deutliche Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher funktioneller Organisation.

Bemerkenswert ist dabei nicht nur, dass diese drei Netzwerke in vielen fMRT-Studien eine Rolle spielen, sondern dass sie auch besonders relevant für jene psychischen Störungen sind, die deutlich unterschiedliche Häufigkeiten bei Männern und Frauen zeigen – etwa Depressionen, ADHS oder Autismus.

Bedeutung für Verhalten und Kognition

Ein weiterer zentraler Befund ist, dass die funktionellen Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen mit verschiedenen kognitiven Profilen zusammenhängen. Mithilfe umfangreicher kognitiver Tests (NIH Toolbox) analysierten die Forscher, ob die im Gehirn ermittelten Muster tatsächlich Verhaltensvariationen erklären können. Die Antwort lautet: ja, und zwar geschlechtsspezifisch.

Bei Männern sagten die relevanten Hirnmerkmale vor allem Aspekte der Belohnungsverarbeitung und Entscheidungsstrategie voraus, insbesondere die Tendenz zum "Delay Discounting" – also wie stark jemand zukünftige Belohnungen gegenüber sofortigen bewertet. Bei Frauen hingegen standen die identifizierten Hirnmerkmale stärker mit allgemeiner kognitiver Leistungsfähigkeit in Verbindung. Interessant ist zudem, dass die Modelle nicht austauschbar waren. Ein Modell, das auf Männern trainiert wurde, konnte Frauen nicht vorhersagen und umgekehrt. Dies verdeutlicht, dass sich die funktionellen Mechanismen, die kognitive Fähigkeiten formen, zwischen den Geschlechtern strukturell stark unterscheiden.

Für die Sexualbiologie ist dieses Paper in mehrfacher Hinsicht relevant. Erstens liefert es robuste Evidenz dafür, dass es geschlechtsspezifische Muster der Hirnorganisation gibt, die nicht auf einzelne Regionen beschränkt sind, sondern ganze Netzwerke umfassen. Zweitens zeigt es, dass maschinelles Lernen neue Wege eröffnet, um diese Muster präziser zu identifizieren und zu interpretieren. Und drittens wird deutlich, dass die beobachteten Unterschiede nicht nur statistische Kuriositäten darstellen, sondern funktionelle und verhaltensrelevante Konsequenzen haben.

Gleichzeitig spricht das Paper keine deterministischen Aussagen über einzelne Menschen aus. Die gefundenen Muster sind statistische Trends in großen Gruppen. Selbstverständlich gibt es weiterhin individuelle Variation, Überschneidungen und eine große Vielfalt innerhalb jedes Geschlechts. Dennoch unterstreicht die Studie, dass Geschlecht ein biologisch bedeutender Faktor der Hirnorganisation ist.

Fazit

Die Arbeit von Ryali et al. (2024) zeigt, wie weit die Forschung zu Geschlechtsunterschieden im Gehirn durch moderne KI-Methoden gekommen ist. Die Autoren demonstrieren, dass funktionelle Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen klar messbar, stabil und verhaltensrelevant sind. Besonders die Netzwerke, die mit Selbstwahrnehmung, Belohnungsverarbeitung und emotionalen Bewertungen zu tun haben, weisen deutliche geschlechtsspezifische Muster auf. Damit liefert die Studie nicht nur einen methodischen Durchbruch, sondern auch wichtige Impulse für die Sexualbiologie. Sie erinnert daran, dass Geschlecht kein triviales Merkmal ist, sondern tief in die Organisation und Funktionsweise unseres Gehirns eingebettet ist.

Quellen

[1] S. Ryali,Y. Zhang,C. de los Angeles,K. Supekar, & V. Menon, Deep learning models reveal replicable, generalizable, and behaviorally relevant sex differences in human functional brain organization, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 121 (9) e2310012121, https://doi.org/10.1073/pnas.2310012121 (2024).

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