Die Einführung von Unisex-Toiletten wird von vielen Seiten als Fortschritt in Richtung Vielfalt und Toleranz gefeiert. Eine Grundschule im nordrhein-westfälischen Neuss geht nun diesen Schritt, um "auf Kinder vorbereitet zu sein, die sich als anderes Geschlecht identifizieren" – ein Signal, das weit über die reine Bauentscheidung hinausweist. Doch während Befürworter das Konzept als zeitgemäß und inklusiv betrachten, wirft es aus naturwissenschaftlicher und entwicklungspsychologischer Sicht kritische Fragen auf. Insbesondere die Begründungen, die seitens der Schule und ihrer Unterstützer angeführt werden, stehen im Spannungsfeld zwischen pragmatischer Organisation, biologischen Realitäten und ideologischen Deutungsmustern.
Hintergrund
Die Karl-Kreiner-Grundschule in Neuss (NRW) setzt als erste Grundschule der Stadt vollständig auf Unisex-Toiletten. Im Neubau, der nach über 20 Jahren Pavillon-Unterricht im Sommer 2025 eröffnet wurde, sind die sanitären Anlagen nicht mehr nach Geschlechtern getrennt. Auf den Türen steht lediglich "WC Kinder". Schulleiterin Dorothee Mühle, die das Konzept initiiert hat, nennt mehrere Gründe. Zum einen erleichterte es die Planung, da alle Toiletten identisch ausgestattet sind und auf Urinale verzichtet werden konnte. Zum anderen will die Schule damit auf eine veränderte Lebensrealität reagieren und Kinder berücksichtigen, die sich nicht eindeutig mit "männlich" oder "weiblich" identifizieren. Als christliche Bekenntnisschule sei es ihr wichtig, jeden Menschen so anzunehmen, wie er ist.
Eine städtische Vorgabe für geschlechtsneutrale Toiletten gebe es nicht, die Entscheidung lag bei der Schule. Von den Schülern sowie den Eltern werde das Konzept positiv angenommen. Unterstützung erhält die Schule zudem vom Neusser Gleichstellungsbeirat, dessen Vorsitzende sich wünscht, dass dieses Modell auch an anderen Schulen umgesetzt werde. Auch an anderen Schulen in Neuss gibt es bereits vergleichbare Ansätze. So bietet die Janusz-Korczak-Gesamtschule seit ihrer Sanierung zusätzlich zu getrenntgeschlechtlichen WCs auch Toiletten für Kinder, die sich als "divers" identifizieren.
Kritische Einordnung im Lichte der Biologie
Aus atheistisch-naturalistischer Perspektive ist die Entscheidung der Karl-Kreiner-Schule ambivalent zu bewerten. Zwar sind Unisex-Toiletten technisch gewiss unproblematisch umsetzbar und organisatorisch in manchen Fällen sogar praktisch, doch die inhaltliche Begründung wirft Fragen auf. Tatsächlich ist die Zahl der Kinder, die eine phänotypische "Intersex"-Variante aufweisen, extrem gering. Wissenschaftlich belegt liegt die Prävalenz bei etwa 0,018 Prozent – also weniger als zwei von zehntausend Neugeborenen [1]. Diese biologische Realität macht deutlich, dass der Bedarf an einer vollständigen Umgestaltung der Schulinfrastruktur aufgrund körperlich-medizinischer Besonderheiten kaum gegeben ist.
Entscheidend für die Schule ist somit vielmehr die bloße subjektive Selbstidentifikation als "andersgeschlechtlich". Davon abgesehen, dass sich selbst nur rund 1 Prozent der sogenannten "Intersexuellen" außerhalb der binären Geschlechterordnung einordnet [2], ist Selbstwahrnehmung kein naturwissenschaftlich belastbarer Grund, um ein gesamtgesellschaftliches Normsystem umzustellen. Wer auf biologische Fakten abstellt, muss feststellen, dass die überwältigende Mehrheit der Kinder entweder eindeutig weiblich oder eindeutig männlich ist.
Darüber hinaus lässt sich aus entwicklungspsychologischer Perspektive anführen, dass eine geschlechtliche Trennung in bestimmten Kontexten sinnvoll sein kann. Arbeiten wie die von Eleanor Maccoby (1998) zeigen, dass Kinder im Grundschulalter eine ausgeprägte Phase geschlechtlicher Segregation durchlaufen [3]. Mädchen und Jungen suchen bewusst den Umgang mit Gleichgeschlechtlichen, um Rollenbilder und soziale Kompetenzen zu erproben. Forschungen von Martin & Ruble (2010) verdeutlichen zudem, dass in Phasen erhöhter Körperwahrnehmung und Schamgefühl – insbesondere im Übergang zur Pubertät – klare geschlechtsspezifische Räume zur Stabilisierung beitragen können [4]. In diesem Licht betrachtet, sind getrennte Toiletten nicht Ausdruck von Diskriminierung, sondern ein entwicklungsförderlicher Schutzraum.
Nicht zuletzt werfen konkrete Sicherheitsvorfälle an der besagten Karl-Kreiner-Schule im Mai 2025 zusätzliche Fragen auf. Drei Mädchen hatten in einer Außen-Toilette einen fremden Mann in einer Kabine bemerkt, der wenig später von der Polizei festgenommen wurde. Die Schulleitung reagierte umgehend, das Notfallsystem funktionierte nach Angaben der Schulleitung "sehr gut". Dennoch zeigt der Vorfall, dass Unisex-Toiletten potenziell zusätzliche Risiken bergen. Während getrennte Toiletten – wie der Vorfall zeigt – zwar ebenfalls keine absolute Sicherheitsgarantie bieten, ermöglichen sie zumindest eine klarere Struktur und können für Kinder sowie Personal eine niedrigere Schwelle darstellen, verdächtige Situationen zu erkennen und frühzeitig einzugreifen.
Religion trifft auf Neoreligion
Dass sich eine christliche Bekenntnisschule, die sich erwartungsgemäß eigentlich auf religiöse Tradition und Werte wie das biblische Mann-Frau-Konzept stützen sollte, bereitwillig den Denkfiguren des Genderismus anschließt, erscheint uns trotz unserer atheistischen Distanz zu religiösen Mythen fragwürdig. Die Gender-Ideologie entwickelt sich zunehmend zu einer modernen Ersatzreligion, die "Geschlecht" als rein innerliches Glaubensbekenntnis deutet und von ihren Anhängern eine ähnliche Form der Loyalität und Affirmation einfordert, wie man sie aus religiösen Kontexten kennt. Dass eine christliche Institution diese Konzepte aufnimmt, liegt möglicherweise daran, dass beide Systeme geistesverwandt sind. Sie operieren beide mit Glaubensannahmen, die empirisch kaum überprüfbar sind, fordern gesellschaftliche Anpassung und beanspruchen moralische Überlegenheit. Hier entsteht der Eindruck, dass die Schule weniger einer naturwissenschaftlichen Realität verpflichtet ist, sondern vielmehr zwei Glaubenswelten miteinander verschmilzt: das traditionelle Christentum und den modernen Genderismus.
Fazit
Unisex-Toiletten können im Einzelfall eine pragmatische Lösung sein, vor allem wenn sie baulich oder organisatorisch Vorteile bringen. Doch sie sind keineswegs durch biologische oder entwicklungspsychologische Notwendigkeiten geboten. Die extrem niedrige Prävalenz echter "Intersex"-Varianten reicht nicht aus, um eine grundlegende Neuordnung sanitärer Infrastrukturen zu rechtfertigen. Die bloße Selbstidentifikation darf ferner nicht an die Stelle wissenschaftlich fundierter Argumente treten. Hinzu kommt, dass die Übernahme von Konzepten aus dem Genderismus durch eine christliche Schule eine merkwürdige Allianz zweier Glaubenssysteme offenbart.
Statt Schulen zu Orten ideologischer Symbolpolitik zu machen, sollte das Ziel sein, Kindern funktionale, entwicklungsförderliche und vor allem sichere Räume zu bieten. Nur so lässt sich verhindern, dass Schulen zu Spielfeldern kulturpolitischer Auseinandersetzungen werden, statt Kinder auf das Leben in einer an Fakten und Vernunft orientierten Welt vorzubereiten.
Quellen
[1] Sax, L. (2002). How common is lntersex? A response to Anne Fausto‐Sterling. The Journal of Sex Research, 39(3), 174–178. https://doi.org/10.1080/00224490209552139
[2] Baudewijntje P.C. Kreukels, Birgit Köhler, Anna Nordenström, Robert Roehle, Ute Thyen, Claire Bouvattier, Annelou L.C. de Vries, Peggy T. Cohen-Kettenis, on behalf of the dsd-LIFE group, Gender Dysphoria and Gender Change in Disorders of Sex Development/Intersex Conditions: Results From the dsd-LIFE Study, The Journal of Sexual Medicine, Volume 15, Issue 5, May 2018, Pages 777–785, https://doi.org/10.1016/j.jsxm.2018.02.021
[3] Maccoby, E. E. (1998). The two sexes: Growing up apart, coming together. Belknap Press/Harvard University Press.
[4] Martin CL, Ruble DN. Patterns of gender development. Annu Rev Psychol. 2010;61:353-81. https://doi.org/10.1146/annurev.psych.093008.100511
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