Die Wissenschaft im Dialog gGmbH (WiD), die zentrale Organisation für Wissenschaftskommunikation in Deutschland, hat vor wenigen Tagen das neue Wissenschaftsbarometer 2025 veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine Bevölkerungsumfrage, die seit 2014 jährlich Einstellungen zu Wissenschaft und Forschung erfasst. Die diesjährige Erhebung wurde vom 4. bis 18. Juli 2025 über ein Online-Panel mit 2.011 Teilnehmern durchgeführt. Für uns als IG Sexualbiologie, die sich für wissenschaftliche Qualität in gesellschaftlich sensiblen Themenfeldern einsetzt, sind die Ergebnisse besonders interessant – nicht zuletzt, weil die diesjährige Ausgabe einen Schwerpunkt auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Polarisierung legt.
Stabiles Vertrauen in Wissenschaft
Das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung bleibt insgesamt stabil: 54 Prozent der Befragten geben an, der Wissenschaft hohes oder sehr hohes Vertrauen entgegenzubringen. Damit bestätigt sich der Trend der vergangenen Jahre. Dennoch bleibt die Frage, ob dieser Wert Anlass zur Beruhigung oder Grund zur Sorge ist. Einerseits ist es bemerkenswert, dass trotz zunehmender Komplexität öffentlicher Debatten weiterhin etwa jede zweite Person der Wissenschaft vertraut. Andererseits zeigt dieser Wert auch, dass fast die Hälfte der Bevölkerung kein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zur Forschung hat – ein Befund, der angesichts der zentralen Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für politische Entscheidungen und gesellschaftlichen Fortschritt durchaus Anlass zur Selbstreflexion gibt. Hinzu kommt, dass das Vertrauen stark vom Bildungsniveau abhängt: Während die Mehrheit der Menschen mit hohem Bildungsabschluss ein hohes Vertrauen äußert, tut dies die Mehrheit der Personen mit geringem formalen Bildungsniveau nicht. Diese Ungleichheit lässt auf strukturelle Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation schließen.
Ambivalenz bei Wissenschaftsaktivismus
Besonders aufschlussreich sind die Antworten auf Fragen zur Rolle der Wissenschaft in stark polarisierten öffentlichen Debatten. Die Mehrheit der Befragten wünscht sich, dass Wissenschaftler aktiv eingreifen, wenn Fakten verzerrt oder falsch dargestellt werden. Gleichzeitig stimmt etwa die Hälfte der Aussage zu, die Wissenschaft solle sich in stark polarisierten gesellschaftlichen Debatten möglichst neutral verhalten. Dieser scheinbare Widerspruch verweist auf ein diffuses Erwartungsgefüge: Die Bevölkerung möchte, dass die Wissenschaft korrigierend eingreift, aber ohne sich als politischer Akteur zu präsentieren.
Für uns ist dieser Befund zentral, denn er berührt eine Grundfrage unseres Selbstverständnisses. Wissenschaft ist deskriptiv, nicht normativ; sie beschreibt die Welt, statt sie im moralischen Sinne zu bewerten. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, der Politik oder Gesellschaft bestimmte Wege vorzuschreiben. Aber sie hat die Pflicht, dort klar Stellung zu beziehen, wo ihre Erkenntnisse verzerrt dargestellt, aus dem Kontext gerissen oder bewusst missinterpretiert werden. Gerade in hitzigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist wissenschaftliche Zurückhaltung oft verführerisch, aber gefährlich. Denn wenn Forscher schweigen, überlassen sie den Raum jenen Stimmen, die mit vereinfachten oder verfälschten Darstellungen arbeiten. In diesem Spannungsfeld zwischen Zurückhaltung und Eingreifen eine kluge Balance zu finden, ist eine der zentralen Herausforderungen moderner Wissenschaftskommunikation.
Skepsis gegenüber gendergerechter Sprache
Ein weiterer spannender Aspekt des Barometers betrifft die Debatte um gendergerechte Sprache und damit ein Schwerpunktthema unserer Initiative. Die Daten zeigen deutlich, dass ein Großteil der Befragten sich wünscht, dass gendergerechte Formen seltener verwendet werden. Auffällig ist, dass diese Skepsis auch unter Frauen dominiert. Hinzu kommt, dass Nutzer gendergerechter Sprache im Durchschnitt weniger sympathisch wahrgenommen werden. Offenbar dient die Sprache in dieser Debatte weniger als neutrales Kommunikationsmittel, sondern vielmehr als Marker kultureller Zugehörigkeit und politischer Positionierung.
Dieser Befund zeigt einmal mehr, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen rund um Geschlecht häufig nicht auf der Ebene empirischer Erkenntnisse geführt werden, sondern auf der Ebene sozialer Wahrnehmungen und ideologischer Zuschreibungen. Die Aufgabe von Wissenschaft besteht jedoch nicht darin, kulturelle Forderungen zu formulieren oder Zeitgeist-Narrative zu unterstützen, sondern die biologische Realität von Geschlecht präzise darzustellen. Gleichzeitig muss sie einschreiten, wenn biologische Forschung falsch kommuniziert wird – ein Problem, das in der Geschlechterdebatte seit Jahren besonders in postmodernen Denkschulen sichtbar ist.
Fazit
Das Wissenschaftsbarometer 2025 zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die Wissenschaft grundsätzlich schätzt, aber gleichzeitig mit Spannungen im Umgang mit wissenschaftlichem Wissen kämpft. Das Vertrauen ist stabil, aber nicht selbstverständlich. Die Erwartungen an Akteure der Wissenschaft sind hoch, aber häufig widersprüchlich. Und die Polarisierung wird stärker wahrgenommen, als sie faktisch ausgeprägt ist. Daraus ergibt sich ein klares Bild: Wissenschaft kann eine stabilisierende Rolle einnehmen – vorausgesetzt, sie kommuniziert klar und auf Grundlage ihrer Methoden. Wissenschaftler sollten daher falschen Interpretationen entgegentreten und gleichzeitig den Unterschied zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und gesellschaftlicher Normsetzung konsequent offenlegen.
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