Sonntag, 6. Juli 2025

"Natürliche Normen" – Zwei Seiten derselben Medaille

Die Debatte um vermeintliche "Queerness" im Tierreich und ihre Bedeutung für den Menschen ist von Fehlschlüssen geprägt, die in erstaunlicher Symmetrie auftreten. In unserem Beitrag "Kritische Diskussion: Queerness in der Natur" haben wir uns bereits kritisch mit der Instrumentalisierung des gleichgeschlechtlichen Verhaltens von Tieren beschäftigt. Hier soll nun ein spezielles Argumentationsmuster näher betrachtet werden, das aus unserer unpolitischen Perspektive auf den Kulturkampf einer gewissen Ironie nicht entbehrt.

Der klassische Fehlschluss

Kurz zusammengefasst basiert der klassische, naturalistische Fehlschluss, der vor allem in vergangenen Zeiten von konservativen Stimmen vorgebracht wurde, auf folgendem Szenario: Historische Forscher beobachteten bei einer Tierart wie beispielsweise Pinguinen typischerweise gegengeschlechtliches Sexualverhalten (von der Balz über den Nestbau bis hin zur Jungenaufzucht). Diese Beobachtung wurde kurzerhand verallgemeinert: "Wenn die beobachteten Pinguine heterosexuelles Verhalten zeigen, dann gilt das für alle Vertreter der Spezies." Damit sei die Heterosexualität die "natürliche" Norm, weil sie in der Natur beobachtet wurde. Auf dieser Basis folgerte man schließlich für den Menschen: "Wenn getrenntgeschlechtliches Sexualverhalten in der Natur die Norm darstellt, sind Abweichungen davon unnatürlich." Hier wird aus einer singulären Beobachtung eine universale Norm für die Gesellschaft destilliert – ein klassischer Fehlschluss.

Der moderne Fehlschluss

Heute begegnet uns häufig das spiegelverkehrte Argument. Moderne Forscher beobachten (bzw. publizieren) mehr und mehr gleichgeschlechtliches Verhalten bei verschiedenen Tierarten – etwa wiederum bei Pinguinen, die mit Partnern desselben Geschlechts Balz- oder Brutpflegeverhalten zeigen. Auch hier wird verallgemeinert: "Wenn diese Pinguine gleichgeschlechtliches Verhalten zeigen, dann gilt das im Prinzip für alle Pinguine." Damit sei dieses Verhalten "natürlich", weil es in der Natur vorkommt. Und daraus wird erneut eine Brücke zum Menschen geschlagen, dass Abweichungen von der Heteronormalität damit nicht nur möglich, sondern ebenso "natürlich" seien. Doch auch hier wird aus einer Einzelbeobachtung eine Norm abgeleitet, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

Fazit

Ob "Homo-/Bi-" oder "Hetero-Norm" – in beiden Fällen wird derselbe argumentative Kurzschluss begangen. Von beobachtetem Verhalten im Tierreich wird direkt auf menschliche Gesellschaftsnormen geschlossen. Einmal galt das als Beleg für die "Unnatürlichkeit" gleichgeschlechtlicher Liebe, was zurecht kritisiert wurde. Heute soll es jedoch als Legitimation ihrer Natürlichkeit dienen, was ebenso fragwürdig ist. Wer sich in der Argumentation auf vermeintlich "queere" Tiere stützt, bewegt sich damit auf demselben logischen Niveau wie die Gegner von Queerness. Wirklich überzeugend ist weder das eine noch das andere. Entscheidend ist nicht, was Tiere tun, sondern wie wir Menschen uns in Freiheit und Verantwortung zueinander verhalten wollen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts