Dienstag, 1. Juli 2025

Wie der ÖRR mal wieder die Zweigeschlechtlichkeit relativiert

In jüngerer Zeit mehren sich Berichte, Beiträge und Formulierungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), die die biologische Realität der Zweigeschlechtlichkeit relativieren. Dabei wird zunehmend suggeriert, dass es sich bei der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen – also der Tatsache, dass es in der Biologie zwei klar unterscheidbare Geschlechter gibt: männlich und weiblich – lediglich um eine "These", einen "Glauben" oder eine "gesellschaftlich konstruierte Vorstellung" handele.

In einer Instagram-Bildserie über angebliche Emoji-Geheimcodes stellt Funk, das junge Content-Netzwerk von ARD und ZDF, die Kiwi-Frucht als Symbol des "Glaubens" an die binäre Geschlechterordnung dar:


Die Kiwi (Actinidia deliciosa) als zweihäusige (diözische) und damit getrenntgeschlechtliche Pflanze wird hier nicht als Beispiel für biologische Realität, sondern als Ausdruck einer weltanschaulichen Haltung gedeutet. Zwar nennt Funk eine Quelle [1], die diese biologische Realität ideologiefrei widerspiegelt, dies ändert jedoch nichts an der Art der Präsentation.

Ähnlich auch bei ZDFinfo in einem Instagram-Beitrag über Emojis der "rechten Szene", in welchem die Kiwi als "angeblicher" Beweis für die "These" dargestellt wird, es "gäbe" nur zwei Geschlechter:


Solche Formulierungen werfen aus wissenschaftlicher Sicht grundlegende Fragen auf. Denn die biologische Zweigeschlechtlichkeit ist keine Hypothese, sondern ein empirisch gesichertes Merkmal fast aller höher entwickelten Lebewesen. Das Vorhandensein von zwei Geschlechtszelltypen (Eizellen und Spermien) ist die Grundlage sexueller Fortpflanzung. Daraus ergeben sich die Kategorien "weiblich" und "männlich". Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD) und das Transgender-Phänomen sind reale, aber seltene medizinische Anomalien. Sie bestätigen die Regel, statt sie infrage zu stellen.

Ausschließlich in diesem biologischen Kontext hat das Konzept "Geschlecht" als objektiv beobachtbare Realität Relevanz. Persönliche (und damit subjektive) Identitäten in Bezug auf das Geschlecht sind davon abgekoppelt. 

Wissenschaft vs. Weltanschauung

Kritikwürdig ist dabei nicht, dass auch soziale, psychologische oder kulturelle Aspekte von Geschlecht thematisiert werden. Problematisch ist die Darstellung wissenschaftlich fundierter biologischer Tatsachen als bloße Meinungen, Glaubenssätze oder "Narrative". So entsteht ein schiefes Bild, in dem naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf eine Stufe mit individuellen Identitätsmodellen gestellt werden.

Wenn öffentlich-rechtliche Medien von "angeblichen" biologischen Tatsachen sprechen, stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Der ÖRR hat einen Bildungsauftrag, der insbesondere auch die Vermittlung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse umfasst. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der Wissenschaft zunehmend unter Druck steht – nicht nur in Bezug auf Biologie, sondern auch in Debatten rund um Klima, Medizin oder Technologie.

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Quellen

[1] Gießmann et al. (2013): Männliche oder weibliche Kiwi-Pflanzen? Die Unterschiede sind deutlich!; Gartenbaukompetenzzentrum Obstbau in Mecklenburg-Vorpommern (pdf-Download)

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