Mittwoch, 1. Oktober 2025

Menstruationszyklen, Mondphasen und die Schatten der Moderne

Seit Jahrhunderten wird spekuliert, ob der weibliche Zyklus mit den Mondphasen im Einklang steht. Doch ist das mehr als ein romantischer Mythos? Ein Forschungsteam um die Würzburger Chronobiologin Charlotte Helfrich-Förster hat diese Frage jetzt mit beispielloser Datenfülle untersucht [1]: Eine deutliche Synchronisation zwischen Menstruation und Mond war früher messbar, hat aber im Zeitalter künstlicher Beleuchtung dramatisch abgenommen. Trotzdem bleibt ein Rest dieser uralten Kopplung erkennbar, insbesondere dann, wenn gravitationsbedingte Kräfte zwischen Sonne, Erde und Mond besonders stark sind.

Bild von Sergio Serjão auf Pixabay

Der Mond als biologischer Taktgeber

Viele Tierarten orientieren ihre Fortpflanzung an Mondzyklen. Auch beim Menschen besitzt der Menstruationszyklus mit durchschnittlich rund 29,5 Tagen eine verblüffende Nähe zum synodischen Monat – also dem Zeitraum zwischen zwei Vollmonden. Frühere Studien hatten bereits Hinweise geliefert, dass Frauen häufiger um Voll- oder Neumond menstruieren. Helfrich-Förster und Kollegen analysierten nun 176 Langzeitaufzeichnungen von Frauen aus Europa, Israel und Nordamerika, die ihre Zyklen über bis zu 37 Jahre dokumentiert hatten.

Das Ergebnis: Vor 2010, also bevor LED-Lichtquellen und Smartphones allgegenwärtig wurden, zeigte sich ähnlich wie in älteren Studien des 20. Jahrhunderts eine deutliche Kopplung der Menstruationszyklen an den Mond. Danach verschwand dieser Effekt fast vollständig.

Die Forscher unterschieden gleich drei Mondzyklen:
  • den synodischen Monat (ca. 29,5 Tage, Voll-/Neumond = Lichtintensität),
  • den anomalistischen Monat (ca. 27,6 Tage, Perigäum ↔ Apogäum = Gravitationskraft),
  • und den tropischen Monat (ca. 27,3 Tage, maximale Nord-/Südauslenkung = "Lunar Standstills").

Auch ohne sichtbares Mondlicht bleibt der Einfluss der Gravitation. Selbst wenn die synodische Lichtabhängigkeit verschwand, blieb eine schwache Synchronisation mit den rein gravimetrischen Zyklen besonders in den Wintermonaten bestehen, wenn Sonne und Mond gemeinsam starke Gezeitenkräfte erzeugen. Diese Effekte traten sogar während der sogenannten "Minor Lunar Standstills" verstärkt auf, die alle 18,6 Jahre wiederkehren.

Die Studie fand außerdem, dass Menstruationsbeginn, Schwangerschaft und Geburt tendenziell um Voll- oder Neumond besonders in Phasen starker Gravitationswirkung gehäuft auftreten. Ergänzende Daten aus Google Trends zeigten zudem, dass Suchanfragen nach "period pain" (dt. Regelschmerzen) um den Perihel-Zeitpunkt Anfang Januar weltweit ansteigen – also genau dann, wenn Erde, Sonne und Mond ihre größten gegenseitigen Anziehungskräfte entfalten. Dies deutet darauf hin, dass nicht nur Licht, sondern auch feinste Schwankungen der Erdgravitation oder elektromagnetische Effekte biologische Prozesse beeinflussen könnten.

Der Einfluss der Lichtverschmutzung

Die Forscher sprechen vom Menstruationszyklus als "circalunaren Oszillator" – einem inneren Taktgeber, der sich einst am Mond ausrichtete, heute aber weitgehend vom künstlichen Licht übertönt wird. Mit der globalen Verbreitung von LED-Lichtquellen ab 2010 änderte sich der natürliche Nachtzyklus grundlegend. Satellitenmessungen zeigen seither einen steilen Anstieg der nächtlichen Lichtemission. Genau parallel dazu ging die Synchronität der Menstruation mit dem Vollmond verloren. Die Studienautoren deuten dies als Hinweis, dass künstliches Licht die biologische Anpassung an den Mondrhythmus stört. Mondlicht diente über Jahrtausende als schwacher, aber konstanter Zeitgeber für den weiblichen Körper. Heute überstrahlen Bildschirme und Straßenlaternen diesen natürlichen Taktgeber, was Folgen für hormonelle Rhythmen und vielleicht auch für Fruchtbarkeit hat. Lichtverschmutzung könnte beispielsweise die Zykluslänge verkürzen. Dennoch bleibt der Zyklus als biologischer Prozess empfindlich gegenüber äußeren Rhythmen.

Fazit

Helfrich-Förster et al. (2025) verbinden mit ihrer Studie Sexualbiologie, Chronobiologie und Umweltforschung auf eindrucksvolle Weise. Ihre Arbeit zeigt, dass der menschliche Körper offenbar immer noch Spuren einer evolutionären "Mond-Uhr" trägt. Der weibliche Zyklus ist nicht nur ein hormonelles Geschehen, sondern auch ein Resonanzphänomen mit kosmischen Rhythmen. Die Lichtverschmutzung greift dabei nicht nur in Ökosysteme, sondern möglicherweise auch in die fein abgestimmte innere Zeitstruktur des Menschen ein.

Quellen

[1] Charlotte Helfrich-Förster et al., Synchronization of women’s menstruation with the Moon has decreased but remains detectable when gravitational pull is strong. Sci. Adv. 11, eadw4096 (2025). DOI: 10.1126/sciadv.adw4096

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts