Sonntag, 27. April 2025

Google-KI: Warum Geschlecht (k)ein Spektrum ist

Wer bei Google nach "Warum Geschlecht kein Spektrum ist" sucht, erlebt ein merkwürdiges Phänomen. Statt einer neutralen Ergebnisliste liefert die Suchmaschine eine automatische "Korrektur" und präsentiert abseits der Suchergebnisse neuerdings noch eine begleitende KI-generierte Antwort, die bereits eine bestimmte Sichtweise voraussetzt – nämlich, dass Geschlecht eben doch ein Spektrum sei:


Die Antwort der Google-KI im Volltext:

"Geschlecht ist ein Spektrum, da sowohl das biologische Geschlecht als auch die Geschlechtsidentität nicht auf die binäre Einteilung von Mann und Frau beschränkt sind, sondern eine Vielfalt an Formen umfassen. Biologische Geschlechtsmerkmale wie Chromosomen, Hormone und Genitalien können variieren, und auch die persönliche Geschlechtsidentität ist komplex und kann außerhalb des binären Systems liegen. Dieses Verständnis berücksichtigt die Vielfalt menschlicher Erfahrungen, die über starre Kategorien hinausgeht.

Warum biologisches Geschlecht kein binäres System ist
Chromosomen: Obwohl XX und XY die häufigsten Chromosomenkombinationen sind, können auch andere Kombinationen auftreten.
Genetik: Das Geschlecht wird durch viele Gene und nicht nur durch Geschlechtschromosomen bestimmt, was zu Variationen in der Geschlechtsentwicklung führt.
Hormone: Der Spiegel von Hormonen wie Testosteron und Östrogen kann ebenfalls variieren und beeinflusst körperliche Merkmale.
Intergeschlechtlichkeit: Menschen können mit Merkmalen geboren werden, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, was die Existenz von mehr als nur zwei biologischen Geschlechtern unterstreicht.

Warum Geschlechtsidentität ein Spektrum ist
Nicht-binäre Identitäten: Neben „Mann“ und „Frau“ gibt es viele andere Geschlechtsidentitäten, die als nicht-binär bezeichnet werden.
Genderfluidität: Die Geschlechtsidentität einer Person kann sich im Laufe der Zeit ändern, was eine Fluidität des Geschlechts widerspiegelt.
Vielfalt der Erfahrungen: Das Spektrummodell erkennt an, dass die menschliche Erfahrung von Geschlecht komplex ist und nicht durch einfache Kategorien erfasst werden kann.

Warum das binäre Modell überholt ist
Künstliches Konstrukt: Die Vorstellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt, ist ein künstliches Konstrukt, das die biologische und soziale Vielfalt nicht abbildet.
Gesellschaftliche Strukturen: Viele Gesetze und Gesundheitssysteme basieren noch auf diesem veralteten binären Modell, obwohl es eine breitere Realität gibt."

Die Erklärung der Google-KI liest sich wie ein Manifest postmoderner Geschlechtertheorie. Geschlecht sei "nicht binär", "fließend" und "vielfältig". Doch wer die Frage naturwissenschaftlich meint, also biologisch und nicht sozial oder identitätspolitisch, erkennt schnell, dass diese Antwort Kategorien vermischt. In diesem Beitrag soll daher beleuchtet werden, warum KI-Sprachmodelle wie das von Google dennoch zu gegenteiligen Schlüssen kommen.

Eine Frage der Gameten

Wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, ist Geschlecht keine Frage des Empfindens oder der gesellschaftlichen Rolle, sondern eine funktionale Kategorie innerhalb der Fortpflanzung. Entscheidend ist, welche Art von Gameten ein Organismus produziert: große, nährstoffreiche Eizellen (Makrogameten) oder kleine, bewegliche Spermien bzw. Spermazellen (Mikrogameten). Diese fundamentale Unterscheidung – die Anisogamie – bildet die Grundlage für die Existenz zweier Geschlechter: weiblich und männlich. Da es keine "Zwischenformen" von Gameten gibt, keine "Mesogameten", existiert auch keine kontinuierliche Skala zwischen männlich und weiblich. Das Geschlecht ist also keine variable Größe, sondern eine diskrete, binäre Kategorie, die durch reproduktive Funktion definiert ist.

Was häufig als Beleg für ein "biologisches Spektrum" angeführt wird – etwa Unterschiede in Chromosomen, Hormonen oder äußeren Geschlechtsmerkmalen – betrifft nicht das Geschlecht selbst, sondern dessen Ausprägung. Menschen mit Störungen der Geschlechtsentwicklung beispielsweise können Abweichungen in der Geschlechtsausprägung aufweisen, aber sie bilden keine neuen Geschlechter und auch keine Zwischenformen von Geschlecht im Sinne einer "echten" (biologischen) Intersexualität. Diese Variationen sind biologisch zwar real, verändern aber die zugrundeliegende binäre Struktur der Fortpflanzung nicht.

Kategorienfehler und anthropozentrische Verzerrung

Wenn moderne Diskurse oder KI-Modelle behaupten, Geschlecht sei ein Spektrum, entsteht ein logischer Kategorienfehler: Sie verwechseln das Geschlecht (auf Ebene der Reproduktion) mit phänotypischen Ausprägungen (körperlich) oder sozialen Rollen und Identitäten (kulturell). Diese Vermischung ist typisch anthropozentrisch, denn sie bezieht sich auf menschliche Selbstwahrnehmung, nicht auf biologische Prinzipien.

Die Aussage der Google-KI, das binäre Modell sei ein künstliches Konstrukt, ist aus biologischer Sicht schlicht falsch. Die binäre Geschlechtsdifferenz ist kein kulturelles Produkt, sondern ein evolutives Ergebnis. Sie hat sich in Milliarden Jahren der Evolution stabilisiert, weil zwei klar unterscheidbare Gametentypen die reproduktive Effizienz maximieren. Das Konzept "Spektrum" hingegen stammt aus Sozialwissenschaften und Psychologie, wo es durchaus Sinn ergeben kann, wenn man von Persönlichkeitsaspekten und Identitäten spricht – aber eben nicht, wenn man die biologische Kategorie "Geschlecht" meint.

Warum die Google-KI so antwortet

Dass die Google-KI trotzdem mit einer postmodernen "pro-Spektrum"-Antwort reagiert, ist kein Zufall. Sprachmodelle wie das von Google (oder auch andere große KIs) lernen aus öffentlich verfügbaren Texten, Foren, wissenschaftlichen Abstracts, Nachrichtenartikeln und vor allem aus jenen Inhalten, die im Netz besonders häufig geteilt und positiv bewertet werden.

Da der öffentliche Diskurs über Geschlecht in den letzten Jahren stark soziokulturell geprägt ist, bilden die Trainingsdaten dieser Systeme einen entsprechenden Bias ab. Sie reflektieren mehrheitlich das aktuelle gesellschaftspolitische Klima, nicht die biologische Präzision. Hinzu kommt, dass KI-Sprachmodelle darauf optimiert sind, harmonische, nicht-kontroverse Antworten zu geben. Themen, die als sensibel gelten – etwa Geschlecht, Ethik oder Identität –, werden deshalb oft automatisch in eine "inklusivere" Richtung gewichtet. Das Ergebnis ist eine algorithmisch erzeugte Einseitigkeit, wodurch eine vermeintlich wissenschaftliche Antwort in Wahrheit bloß eine kulturelle Position wiedergibt. Die Verwechslung dieser Ebenen ist das Kernproblem vieler populärer Darstellungen, einschließlich der automatisierten Erklärungen von KIs.

Fazit

Aus sexualbiologischer Perspektive ist Geschlecht keine fließende Skala, sondern ein reproduktives Binärsystem, das auf der Existenz zweier Gametentypen beruht. Die Reaktion der Google-KI, die diese Fakten auf die Suchanfrage komplett ausblendet, zeigt, wie stark die digitalen Informationsräume von kulturellen Diskursen beeinflusst sind. Wer sich wissenschaftlich mit Sexualbiologie beschäftigt, sollte sich dieser Verschiebung bewusst sein und die Begriffe "Geschlecht" und "Geschlechtsidentität" strikt auseinanderhalten. Nur so lässt sich verhindern, dass biowissenschaftliche Tatsachen mit sozialen Konstrukten verwechselt werden.

Samstag, 19. April 2025

UK: Supreme Court stärkt Zweigeschlechtlichkeit

Die IG Sexualbiologie begrüßt das Urteil des britischen Supreme Court vom 16. April 2025, welches die Begriffe "Frau" und "Geschlecht" im Gleichstellungsrecht des Equality Acts 2010 eindeutig auf das biologische Geschlecht (engl. Sex) bezieht. Diese Entscheidung stellt einen bedeutenden Schritt zur Wiederherstellung der biologischen Realität der Zweigeschlechtlichkeit dar.

Klarheit für den rechtlichen Rahmen

Das Urteil bringt dringend benötigte Klarheit in die rechtliche Definition von Geschlecht. Es bestätigt, dass der Schutz von Frauenräumen, wie Umkleiden, Frauenhäusern oder geschlechtsspezifischen Förderprogrammen, auf der Grundlage des biologischen Geschlechts erfolgen darf. Dies stärkt die Rechte von Frauen und Mädchen, indem es sicherstellt, dass ihre Schutzräume nicht durch Personen des männlichen Geschlechts beansprucht werden können, unabhängig von deren Geschlechtsidentität.

Ein ausgewogenes Urteil

Das Urteil des Supreme Court berücksichtigt sowohl die Rechte von Frauen als auch den Schutz von transidenten Personen. Es stellt klar, dass transidente Personen weiterhin unter dem Merkmal der Geschlechtsangleichung vor Diskriminierung geschützt sind. Eine vollständig geschlechtlich angeglichene Transgender-Person darf weiterhin die Schutzräume ihrer jeweiligen Geschlechtsidentität nutzen. Denn da sie dort keinerlei Aufsehen erregen wird, kommt es im Regelfall gar nicht erst zu einem Zutrittsverbot. Nur in Fällen, in denen eine Transperson aufgrund einer nicht vollständig abgeschlossenen Geschlechtsangleichung in Schutzräumen als Problem wahrgenommen werden könnte, haben die Betreiber nun eine rechtlich klare Handhabe. Dahingehend betonen die Richter des Supreme Court einstimmig, dass Geschlechtsidentität und biologisches Geschlecht unterschiedliche rechtliche Kategorien darstellen.

Vorteile für Transmänner

Ein oft übersehener Aspekt des Urteils betrifft sogenannte Transmänner – also Personen mit weiblicher Geschlechtsbiologie, die sich als männlich identifizieren. Solange sie keine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt haben, behalten sie ihre weibliche Anatomie. Durch die klare Definition des Begriffs "Frau" auf Basis des biologischen Geschlechts können Transmänner nun rechtlich abgesichert Frauenräume nutzen, ohne befürchten zu müssen, ausgeschlossen zu werden. Dies ist insbesondere in sensiblen Bereichen wie medizinischen Einrichtungen oder Schutzunterkünften von Bedeutung.

Fazit

Die Entscheidung des britischen Supreme Court ist ein Meilenstein für die Anerkennung biologischer Realitäten im Rechtssystem. Sie stärkt den Schutz von Frauenräumen und berücksichtigt gleichzeitig die Rechte von transidenten Personen. Wir hoffen, dass dieses Urteil als Vorbild für andere Rechtssysteme dient und zu einer sachlichen, wissenschaftlich fundierten Diskussion über Geschlecht und Geschlechtsidentität beiträgt.

Sonntag, 6. April 2025

Biologen auf Abwegen

In der aktuellen Debatte um Geschlecht, Sexualität und biologische Grundlagen mischen sich zunehmend Stimmen, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit ideologischen Deutungen überlagern. Ein Beispiel dafür liefert ein jüngst erschienender MDR-Artikel, in dem Prof. Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg die Auffassung vertritt, es gäbe "mehr als zwei Geschlechter": Biologe und Sexualforscher: "Es gibt mehr als zwei Geschlechter"
 
Die IG Sexualbiologie hat bereits mehrfach klargestellt, dass Geschlecht biologisch eindeutig über Anisogamie definiert ist – also über die Produktion von großen (Eizellen) bzw. kleinen (Spermien) Geschlechtszellen. Diese klare Zweiteilung bildet die Basis für geschlechtliche Fortpflanzung und ist nicht variabel. Dennoch behauptet Voß, die Binarität sei biologisch nicht haltbar – eine These, die einer kritischen Überprüfung aus naturwissenschaftlicher Perspektive nicht standhält.
 

"Es gibt mehr als zwei Geschlechter" 

Voß erklärt im MDR-Interview, die biologische Forschung habe gezeigt, dass "Geschlechtsentwicklung vielfältig" sei und es daher "absurd" wäre, wenn Evolution nur zu zwei Geschlechtern geführt hätte. Diese Argumentation verkennt jedoch die fundamentale Logik der Evolution. Sexuelle Fortpflanzung beruht gerade auf der Spezialisierung zweier Sexualzelltypen. Variationen in der Geschlechtsentwicklung (etwa Störungen der hormonellen Regulation oder genetische Besonderheiten) stellen keine eigenständigen Geschlechter dar, sondern seltene Abweichungen innerhalb der klaren zweigeschlechtlichen Grundstruktur, nicht außerhalb oder dazwischen.

Besonders problematisch ist Voß’ Angabe, rund 1,7% der Bevölkerung seien "intergeschlechtlich". Diese Zahl wird seit Jahren unkritisch in medialen und aktivistischen Kontexten wiederholt, ist aber wissenschaftlich nicht haltbar. Der Mediziner Leonard Sax (2002) zeigte, dass echte "Intersexualität" – also Fälle, in denen das Geschlecht auf chromosomaler, gonadaler und phänotypischer Ebene nicht eindeutig bestimmbar ist – mit etwa 0,018% extrem selten ist (siehe Wie häufig ist "Intersexualität"?). Damit liegt die reale Häufigkeit um den Faktor 100 niedriger als von Voß behauptet.

Auch die von Voß angeführten 4% "divers" aus Umfragen sind kein biologisches Argument, sondern spiegeln Selbstwahrnehmung und soziale Kategorien wider. Subjektive Identitätsangaben lassen sich nicht mit naturwissenschaftlicher Taxonomie verwechseln. Sie sind eine Frage soziokultureller Zuschreibungen, nicht der Biologie.

Ein Blick auf Voß’ wissenschaftlichen Hintergrund verdeutlicht zudem, warum seine Aussagen weniger biologischer Fachmeinungen entsprechen als vielmehr gesellschaftstheoretischen Deutungen. Seine Professur für "Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung" ist an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Hochschule Merseburg angesiedelt. Seine Dissertation erfolgte im Fach Soziologie, seine Forschungsschwerpunkte liegen in Queer Theory, Intersektionalität und sexueller Bildung – nicht in Zoologie, Genetik oder Evolutionsbiologie. Wenn Voß also behauptet, die Biologie habe mehr als zwei Geschlechter nachgewiesen, so handelt es sich nicht um eine naturwissenschaftliche Erkenntnis, sondern um eine geisteswissenschaftliche Interpretation. Diese ist legitim, sollte jedoch als solche gekennzeichnet werden.

Damit wird klar: Die These "Es gibt mehr als zwei Geschlechter" ist nicht durch biologische Daten gedeckt, sondern entspringt einem sozialkonstruktivistischen Verständnis von Geschlecht. Für die Sexualbiologie bleibt das Geschlecht – trotz aller Variation und Einzelfälle – binär definiert. Wenn also ein Biologe eine solche These vertritt, spricht das nicht für die wissenschaftliche Korrektheit der These, sondern schlicht und ergreifend gegen den Biologen.
 
Heinz-Jürgen Voß ist hierbei kein Einzelfall. Immer wieder finden sich Personen mit biologischer Ausbildung oder Titel, die Thesen vertreten, die mit naturwissenschaftlicher Methodik und den etablierten Ergebnissen der Biologie nicht übereinstimmen. Der akademische Hintergrund wird dabei häufig genutzt, um einer ideologisch oder weltanschaulich motivierten Position vermeintliche Autorität zu verleihen. Weitere prominente Beispiele zeigen, dass ein Abschluss in Biologie keineswegs ein Garant für fachliche Richtigkeit ist.

"Viren gibt es nicht"

Obwohl er promovierter Biologe ist und in der Vergangenheit an Viren geforscht hat, vertritt Stefan Lanka seit Jahren die These, Viren existierten überhaupt nicht, sondern seien lediglich Abbauprodukte von Zellen. Diese Position steht im eklatanten Widerspruch zu hunderttausenden Publikationen aus Virologie, Medizin und Molekularbiologie, die Viruspartikel, deren Genomsequenzen sowie Replikationszyklen detailliert beschreiben und ihre Existenz mittels "Scheininfektion" (Mock-Infektion) nachgewiesen haben. Lankas Zweifel an der Existenz von Viren ist nicht nur wissenschaftlich unbegründet, sondern auch gesellschaftlich gefährlich, da sie Impfskeptikern pseudowissenschaftliche Argumentationsmuster liefert. Hier zeigt sich deutlich: Ein akademischer Abschluss in Biologie schützt nicht vor der Verbreitung biologisch falscher Behauptungen. 

"Am 6. Tag schuf Gott der intelligente Designer die Grundtypen"

Ein ähnliches Muster findet sich bei Siegfried Scherer, Biologe mit Schwerpunkt in molekularer und mikrobieller Ökologie, und Reinhard Junker, der u.a. Biologie für das Lehramt an Gymnasien studierte. Ihr gemeinsames Wirken in der evangelikalen "Studiengemeinschaft Wort und Wissen" ist geprägt von der Verteidigung eines kreationistischen Weltbildes, das unter dem Label "Intelligent Design" vermarktet wird. Anstatt evolutionsbiologische Erkenntnisse anzuerkennen, versuchen sie, die Entstehung biologischer Komplexität durch einen "intelligenten Designer" zu erklären und dem christlichen Schöpfungsmythos im Biologieunterricht zumindest genauso viel Raum einzuräumen, wie der Tatsache Evolution. Diese Argumentation widerspricht jedoch der modernen Evolutionsbiologie und bedient sich selektiver Darstellungen, die von der Fachwissenschaft längst widerlegt wurden. Auch hier zeigt sich: Selbst naturwissenschaftlich ausgebildete Personen können aus offenbar weltanschaulichen Gründen Positionen vertreten, die mit den Methoden und Ergebnissen der Naturwissenschaften kaum bis gar nicht vereinbar sind. 

"Wasser hat ein Gedächtnis"

Ein besonders prominentes Beispiel liefert der französische Virologe Luc Montagnier (1932-2022), der 2008 gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi den Nobelpreis für die Entdeckung des HI-Virus erhielt. Während er in seiner aktiven Forschungszeit noch höchste Anerkennung genoss, geriet er später durch Aussagen und Publikationen in die Nähe der Homöopathie. Montagnier sprach davon, dass Wasser ein "Gedächtnis" haben könne – eine Hypothese, die als pseudowissenschaftliche Grundlage der Homöopathie gilt. In Vorträgen und Interviews stellte er infrage, dass homöopathische Präparate völlig wirkungslos seien, und öffnete damit Homöopathie-Verteidigern die Tür, sich auf seine Autorität zu berufen. Fachlich fanden seine Behauptungen jedoch keine Bestätigung: Reproduzierbare Evidenz blieb aus, und seine Thesen wurden von der wissenschaftlichen Gemeinschaft scharf kritisiert. Der Fall Montagnier verdeutlicht, wie selbst ein Nobelpreisträger mit exzellenter Reputation in ein pseudowissenschaftliches Fahrwasser geraten kann und damit zeigt, dass akademische Meriten allein keine Garantie für die Richtigkeit späterer Aussagen sind.

Fazit

Die Beispiele von Voß, Lanka sowie Scherer & Junker und schließlich Montagnier verdeutlichen, dass biologische Fachbegriffe und wissenschaftliche Autorität nicht selten für weltanschauliche oder politische Zwecke instrumentalisiert werden. Ob es sich um die Konstruktion angeblich "vielfältiger" Geschlechter, die Bezweiflung der Existenz von Viren, den Versuch, Schöpfungsglauben als Wissenschaft darzustellen oder die pseudowissenschaftliche Aufwertung der Homöopathie handelt – in allen Fällen werden naturwissenschaftliche Erkenntnisse verfälscht oder ignoriert.
 
Während allerdings die Thesen von Lanka, Scherer, Junker oder auch Montagnier zwar medial Aufmerksamkeit erzeugten, aber im Mainstream nie ernsthaft Fuß fassen konnten, verhält es sich im Fall von Heinz-Jürgen Voß anders. Seine Deutungen zu Geschlecht finden nicht nur regelmäßig Eingang in öffentlich-rechtliche Medien, sondern sind sogar in Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung präsent. Dort wird die angeblich überholte "Binarität von Mann/Frau" als wissenschaftliche Erkenntnis ausgegeben:

LSBTIQ-Lexikon der Bundeszentrale für politische Bildung (Abgerufen am 06.04.2025)
 
Gerade hierin liegt die eigentliche Gefahr: Während klassische "Schwurbel"-Thesen von der Fachwelt schnell isoliert werden, erreichen die voßschen Interpretationen über institutionelle Kanäle den Eindruck von Seriosität und dringen tief in öffentliche Bildungs- und Meinungsprozesse ein. Für eine seriöse Sexualbiologie bleibt jedoch entscheidend, dass biologische Fakten von ideologischen Deutungen sauber getrennt werden. Nur so kann die Diskussion auf einer soliden wissenschaftlichen Basis geführt werden.

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