Eine hitzige Debatte um eine Kinderfernsehserie zeigt, wie schnell biologische Tatsachen in ideologischen Kämpfen relativiert werden. In sozialen Medien sorgt eine Antwort des KiKA (Kinderkanal von ARD und ZDF) für Aufsehen. Dort hieß es als Beispiel für transgeschlechtliches Verhalten in der Natur sinngemäß, dass auch "Säugetiere wie Clownfische und Pantoffelschnecken" ihr "biologisches" Geschlecht ändern können.
Der Auslöser der Debatte
Anlass der aktuellen Diskussion war ein Facebook-Kommentar unter einem Beitrag des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals zu dessen umstrittener Kindersendung "Ich bin Hannah", in welcher es um einen transidenten Jungen geht:
In der Kommentarsektion stellte eine Nutzerin die Frage: "Gibt es sowas eigentlich nur beim Menschen oder auch bei anderen Säugetieren?"
Darauf antwortete das Social-Media-Team des KiKA:
"Menschen sind wirklich nicht die einzigen Säugetiere, die transgeschlechtlich sein können. In der Tierwelt können zum Beispiel Clownfische und Pantoffelschnecken ihr biologisches Geschlecht ändern. Super spannend, oder? 😊"
Diese Antwort sorgte für erhebliche Irritation und Gegenwind, weshalb die Kommentarfunktion schließlich geschlossen wurde:
Der Kinderkanal #Kika hat die Kommentarfunktion geschlossen. #ReformOerr #OerrBlog pic.twitter.com/7TFkSQeyBc
— ÖRR Blog. (@OERRBlog) May 16, 2024
Biologische fehlerhafte Darstellung des ÖRR
Clownfische und Schnecken sind faszinierende Tiere – aber keine Säugetiere! Säugetiere zeichnen sich durch das Säugen ihrer Jungen mit Milchdrüsen, das Vorhandensein eines Haarkleids, eine konstante Körpertemperatur und in den meisten Fällen durch die Lebendgeburt aus. Die marinen Pantoffelschnecken gehören zu den Weichtieren (Mollusca), Clownfische sind Fische aus der Klasse der Strahlenflosser (Actinopterygii). Die Aussage, dass diese Arten "Säugetiere" seien, ist schlicht biologisch falsch und zeigt, wie leicht biologische Fakten durcheinandergeraten, wenn man komplexe Themen ideologisch überhöht.Tatsächlich gibt es in der Natur viele Tiere, die ihr Geschlecht im Laufe ihres Lebens verändern können. Bei Clownfischen etwa ist jedes Tier zunächst männlich. Stirbt das dominante Weibchen, wandelt sich das ranghöchste Männchen hormonell und anatomisch in ein Weibchen um – ein Prozess, der als Proterandrie oder auch Protandrie bezeichnet wird. Proteroandrischer Hermaphroditismus wurde auch bei der Amerikanischen Pantoffelschnecke (Crepidula fornicata) beobachtet.
Diese Form des Geschlechtswechsels kann in der Tat als echte "Transsexualität" bezeichnet werden. Sie ist aber kein Ausdruck einer inneren Identität oder eines Bewusstseins über das eigene Geschlecht wie beim menschlichen Transgenderismus, sondern ein biologischer Fortpflanzungsmechanismus, der der erfolgreichen Weitergabe des eigenen Genmaterials dient. Das beim Menschen auftretende Phänomen, welches häufig fälschlich als "Transsexualität" bezeichnet wird, ist hingegen je nach Ursache als Entwicklungsstörung oder als psychische Erkrankung zu klassifizieren und unterscheidet sich damit fundamental von einer evolutionär stabilen Fortpflanzungsstrategie. Beim Menschen und anderen Säugetieren gibt es keine Transsexualität im biologischen Sinne.
Warum Säugetiere ihr Geschlecht nicht wechseln können
Bei Säugetieren ist ein Geschlechtswechsel biologisch nicht möglich. Das liegt an ihrer grundlegenden Anatomie und Fortpflanzungsbiologie. Säugetiere besitzen als Gonochoristen getrennte Geschlechter mit innerer Befruchtung, komplexen Geschlechtsdrüsen (Hoden oder Eierstöcken) und sekundären Geschlechtsmerkmalen, die hormonell gesteuert, aber genetisch festgelegt sind. Die Differenzierung in männlich oder weiblich erfolgt in der Embryonalentwicklung durch spezifische Gene (z. B. SRY, welches im Normalfall auf dem Y-Chromosom liegt). Ein Wechsel des Geschlechts würde bei Säugetieren eine komplette Reorganisation von inneren und äußeren Körperstrukturen erfordern. Dies ist weder natürlich verankert noch mittels medizinischen Eingriffen möglich.In diesem Kontext soll aber auf einen tiermedizinischen Sonderfall hingewiesen werden: In den 1990er Jahren beschrieben Frankenhuis et al. ein Hauskaninchen, das gleichzeitig funktionsfähige Hoden und Eierstöcke besaß [1]. Das Tier konnte zunächst andere Weibchen befruchten und später in Isolation sogar trächtig werden – ein Phänomen, das als Autofertilisation bezeichnet wird. Solche Fälle beruhen bei Säugetieren auf Störungen in der Geschlechtsdifferenzierung während der Embryonalentwicklung und sind extrem selten. Sie sind beim Menschen als ovotestikuläre Störung der Geschlechtsentwicklung beschrieben. Entscheidend ist, dass das Tier sein Geschlecht nicht wechselte, sondern von Geburt an beide Geschlechtsanlagen gleichzeitig besaß. Damit handelt es sich nicht um Proterandrie, wie sie als evolutive Strategie bei Clownfischen oder Pantoffelschnecken explizit zum Zwecke der Verhinderung einer Autofertilisation vorkommt, sondern um eine pathologische Ausnahme.
Daher sind medizinische oder soziale Geschlechtsangleichungen beim Menschen keine biologischen Geschlechtswechsel, sondern kulturelle und medizinische Versuche, Körper und Identität in Einklang zu bringen.
Verantwortung im Umgang mit Fakten
Wenn sogenannte "öffentlich-rechtliche" Sender biologische Themen aufgreifen, müssen sie sich an wissenschaftliche Standards halten – gerade, wenn sie einen Bildungsauftrag zur Legitimierung ihrer Zwangsfinanzierung für sich beanspruchen. Wer Kinder über Geschlecht und Identität aufklären will, darf sich keine elementaren biologischen Fehler leisten. Die KiKA-Antwort, Fische und Schnecken seien "Säugetiere, die transgeschlechtlich sein können", zeigt ein bedenkliches Maß an biologischer Unkenntnis und unkritischem Umgang mit Fachbegriffen.
Solche irreführenden und damit desinformativen Fehltritte untergraben das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Bildungsanspruch. Sie lassen den Eindruck entstehen, dass Ideologie und Kommunikationsstrategie wichtiger sind als naturwissenschaftliche Präzision. Gerade in einer Zeit, in der gesellschaftliche Debatten über Geschlecht ohnehin hoch emotional geführt werden, sollten zwangsfinanzierte Medien nicht zur Verwirrung, sondern zur Aufklärung beitragen. Empathie für individuelle Identität darf niemals zulasten wissenschaftlicher Korrektheit gehen.
Fazit
Biologische Tatsachen sind kein Ausdruck gesellschaftlicher Gesinnung. Wer über Geschlecht, Identität und Natur spricht, sollte die Grenzen zwischen psychologischen, sozialen und biologischen Konzepten kennen. Schnecken und Clownfische liefern spannende Einblicke in die Vielfalt der Natur – aber sie sind kein Beispiel für menschliche Transidentität.Quellen
[1] Frankenhuis MT, Smith-Buijs CM, de Boer LE, Kloosterboer JW. A case of combined hermaphroditism and autofertilisation in a domestic rabbit. Vet Rec. 1990 Jun 16;126(24):598-9. PMID: 2382355.




