Donnerstag, 23. Oktober 2025

Aktion "Grundgesetz schützen" verteidigt biologische Realität

Eine aktuelle Initiative mit dem Titel "Grundgesetz schützen" sorgt derzeit für öffentliche Aufmerksamkeit. Die Initiatoren warnen vor der geplanten Aufnahme der Kategorie "sexuelle Identität" in Artikel 3 des Grundgesetzes, da sie befürchten, dass durch diese unpräzise Formulierung Schutzrechte – insbesondere für Frauen und Mädchen – juristisch schwer handhabbar werden könnten.

Die Debatte berührt damit ein zentrales Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Recht: Wie lässt sich biologische Realität im juristischen Kontext abbilden, ohne gesellschaftliche Vielfalt auszublenden und ohne wissenschaftliche Begrifflichkeit zu verwässern?
 

Biologische Begriffe sind präzise – rechtliche müssen es auch sein!

In der Biologie sind Begriffe wie Geschlecht und Sexualität klar definiert. Sie beziehen sich auf reproduktive Funktionen und bilden die Grundlage vieler biowissenschaftlicher Disziplinen. Juristische und umgangssprachliche Begriffe hingegen haben oft eine breitere, gesellschaftliche Bedeutung. Wird hier ungenau gearbeitet, droht eine Vermischung zwischen biologischen und soziokulturellen Kategorien, was in Gesetzestexten zu Mehrdeutigkeiten führen kann. Die Diskussion um die Formulierung von Artikel 3 GG zeigt exemplarisch, wie wichtig eine präzise Begrifflichkeit für rechtliche Klarheit ist. Wer biologische Termini in rechtliche Kontexte überträgt, sollte sich der wissenschaftlichen Definition bewusst bleiben, um Fehlinterpretationen und spätere Konflikte zu vermeiden.

Über "Grundgesetz schützen"

Die Kampagne wurde von der Dialogplattform für Frauenrechte "Was ist eine Frau?" initiiert und richtet sich an Bürger sowie politische Entscheidungsträger. Im Mittelpunkt steht die Forderung, den bewährten Begriff "Geschlecht" im Grundgesetz zu belassen und keine unpräzisen Erweiterungen vorzunehmen. Die Initiatoren argumentieren, dass der Diskriminierungsschutz bereits umfassend geregelt sei und eine zusätzliche, nicht eindeutig definierte Kategorie wie "sexuelle Identität" neue juristische Unschärfen erzeugen könnte. Auf ihrer Projekt-Website grundgesetz-schuetzen.de stellen sie Hintergrundmaterial, Faktenchecks und Analysen zur Verfügung, um die Debatte auf eine sachliche, rechtsstaatlich fundierte Grundlage zu stellen.

"Grundgesetz schützen" benennt verschiedene gesellschaftliche Gruppen, für die geschlechtsbasierter Schutz von besonderer Bedeutung ist: Frauen und Mädchen (weibliche Menschen), "homo- und bisexuelle" (gynophile und ambiphile) Frauen sowie "homo- und bisexuelle" (androphile und ambiphile) Männer. Begründet wird dies damit, dass rechtliche Schutzräume sowie Maßnahmen zur Geschlechterparität auf der Kategorie Geschlecht beruhen. Wird diese durch unklare Begriffe erweitert oder durch die Hintertür ersetzt, könnte der bisherige Schutzmechanismus geschwächt werden.

Was die Kampagne allerdings nicht explizit erwähnt: Geschlechtsbasierter Schutz betrifft ebenfalls Menschen mit Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD) und Personen mit pränatal-neurologisch begründeter Geschlechtsdysphorie (Transgender). Auch bei ihnen liegen biologische Mechanismen zugrunde – sei es auf Ebene der Genetik, der Hormonregulation oder der Gehirnentwicklung. Damit beruhen ihre rechtlichen Belange letztlich ebenfalls auf biologischen Grundlagen. Wenn rechtliche Definitionen ausschließlich auf subjektiver Selbstidentifikation basieren, ohne Bezug zu den zugrundeliegenden biologischen Parametern, droht die Trennschärfe dieser Kategorien ebenfalls verloren zu gehen. Dabei sind es gerade diese Personengruppen, die mit der geplanten Grundgesetzänderung addressiert werden. Für ein funktionierendes Rechtssystem ist jedoch entscheidend, dass es auf objektiv erfassbaren Merkmalen aufbaut, die nachvollziehbar und überprüfbar bleiben.

Zur Uneinheitlichkeit des Begriffs "sexuelle Identität"

Im aktuellen Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes wird der Begriff wie folgt beschrieben [1]:

"Die sexuelle Identität ist das geschlechtliche Selbstverständnis eines Menschen und schützt auch vor Diskriminierung aufgrund einer geschlechtsbezogenen Erwartung der Heteronormativität. Der Begriff umfasst die emotionale, körperliche und/oder sexuelle Anziehung bezüglich des Geschlechts eines Menschen sowie den Schutz der Sexualität als Selbstverständnis (Identität). Eine Erweiterung um den Begriff der sexuellen Identität erkennt explizit die Geschlechtervielfalt an und stellt zugleich ein Bekenntnis zu einer geschlechterinklusiven Rechtsordnung dar."

Diese Beschreibung zeigt, dass "sexuelle Identität" mehrere Bedeutungsebenen vereint: das "biologische Geschlecht" (sex), das "soziale Geschlecht" (gender) und die "sexuelle Orientierung" (sexuality) – ein bekannter Dreiklang innerhalb der pseudowissenschaftlichen Gender Studies und Queer-Theorie (zur biologischen Begriffsbestimmung siehe Was bedeutet "Gender" aus biologischer Sicht?). 
 
Der enthaltene Begriff "Heteronormativität" ist kein naturwissenschaftlicher Terminus, sondern ein postmoderner Kampfbegriff, der gesellschaftliche Erwartungsmuster anprangert. Biologisch betrachtet ist heteronormales Verhalten jedoch kein ideologisches "Normativ", sondern die Basis sexueller Fortpflanzung. Dass daneben vielfältige erotische Verhaltensweisen existieren, ist Ausdruck natürlicher Variation.

Auch die im Gesetzesentwurf genannten Begriffe "Geschlechtervielfalt" und "geschlechterinklusive Rechtsordnung" lassen Interpretationsspielräume offen. In der Biologie spielt sich Vielfalt innerhalb der Ausprägung der zwei Geschlechter ab (etwa in Morphologie, Hormonprofilen oder Verhaltensvarianten), jedoch nicht auf Ebene der Geschlechterzahl. Hier begeht der Gesetzgeber einen Kategorienfehler, indem Geschlechtsausprägung mit Geschlecht verwechselt werden (siehe Geschlecht ist nicht gleich Geschlechtsausprägung). Juristisch wiederum ist der Schutz dieser Vielfalt bereits durch das bestehende Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts in Artikel 3 GG vollumfänglich gewährleistet.

Unsere Position

Die IG Sexualbiologie beobachtet die öffentliche Diskussion mit Interesse, beteiligt sich jedoch nicht als Organisation an politischen Kampagnen. Unser Selbstverständnis liegt in der Wissenschaftskommunikation – also in der Vermittlung biologischer Grundlagen von Geschlecht, Sexualität und Fortpflanzung. Mehrere unserer Mitglieder unterstützen allerdings privat die Kampagne "Grundgesetz schützen".

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Quellen

[1] Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 – Einfügung des Merkmals sexuelle Identität). Deutscher Bundestag. 07.10.2025. Drucksache 21/2027. (pdf)

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