Dienstag, 25. November 2025

Pubertätsblocker: Neue Studien in Großbritannien gestartet

In Großbritannien haben Forscher zwei neue klinische Studien zum Einsatz von sogenannten "Pubertätsblockern" bei Jugendlichen gestartet. Wie 'The Guardian' berichtet, reagieren Wissenschaft und Gesundheitswesen damit auf die Ergebnisse des sogenannten Cass-Reviews aus dem Jahr 2024, das einen deutlichen Mangel an belastbaren Daten zu Wirkung und Nebenwirkungen dieser Behandlungsform festgestellt hatte: Two UK clinical trials to assess impact of puberty blockers in young people

Die Studien sollen helfen, die medizinische Versorgung junger Menschen mit Geschlechtsinkongruenz auf eine solide wissenschaftliche Grundlage zu stellen – ein Schritt, der in der aktuellen Debatte sowohl Zustimmung als auch Kritik auslöst.

Hintergrund

Sogenannte "Pubertätsblocker" (GnRH-Analoga) wurden ursprünglich zur Behandlung einer verfrühten Pubertät und zur medikamentösen Androgensuppression bei Männern mit  Prostatakarzinom entwickelt und eingesetzt. Man unterscheidet zwischen GnRH-Agonisten und GnRH-Antagonisten. Während GnRH-Agonisten zunächst die Rezeptoren für das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) in der Hypophyse stark aktivieren, einen kurzfristigen massiven Anstieg der Sexualhormone auslösen ("Flare-up-Effekt") und erst nach 1 bis 3 Wochen durch Desensibilisierung zu einer starken Suppression führen, blockieren GnRH-Antagonisten die Rezeptoren sofort und kompetitiv ohne jede Initialstimulation – die Unterdrückung von Sexualhormonen setzt daher unmittelbar ein und ist sofort reversibel nach Absetzen. GnRH-Analoga ist der Oberbegriff für beide Substanzklassen. Beide werden eingesetzt, um die Produktion von Geschlechtshormonen gezielt zu steuern oder zu unterdrücken, wobei Agonisten vor allem bei längerfristiger Suppression und Antagonisten bei Bedarf an schneller, "flare-freier" Kontrolle bevorzugt werden.

In den vergangenen Jahren nutzte man diese Substanzen jedoch zunehmend – oft außerhalb der zugelassenen Indikation – für junge Menschen mit Geschlechtsdysphorie, um die körperlichen Auswirkungen der Sexualhormone während der natürlichen Pubertät zu unterdrücken. Nach dem Cass-Report entschied das britische Gesundheitssystem NHS, dass GnRH-Analoga künftig nicht mehr routinemäßig verschrieben werden dürfen, sondern aufgrund unzureichender und widersprüchlicher Daten über ihre Auswirkungen auf psychische Entwicklung, Wohlbefinden, Stoffwechsel, kognitive Entwicklung und Fertilität nur noch im Rahmen von Studien.

Genau hier setzen die neuen Projekte an. Beide Studien gehören zum größeren "Pathways-Programm", das den medizinischen Weg junger Patienten mit Geschlechtsinkongruenz wissenschaftlich begleiten soll.

Was wird untersucht?

In der einen Studie ("Pathways Trial") sollen über die nächsten drei Jahre 226 Jugendliche rekrutiert werden. Sie werden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe bekommt eine direkte Behandlung mit "Pubertätsblockern", die andere erfährt ein Jahr Wartezeit, bevor die Behandlung beginnt. Alle Probanden erhalten im Studienverlauf zusätzliche psychologische und medizinische Betreuung. Über mindestens 24 Monate hinweg werden körperliche, psychische und entwicklungsbezogene Daten erhoben. Am Ende soll individuell entschieden werden, wie die weitere Behandlung aussehen kann. Zusätzlich wird eine Vergleichsgruppe ohne Pubertätsblocker herangezogen.

Die zweite Studie ("Pathways Connect") ergänzt die erste durch neurobiologische Daten. Rund 150 der Teilnehmer aus dem Pathways Trial sowie etwa 100 junge Menschen ohne Behandlung mit "Pubertätsblockern" sollen mittels MRT untersucht werden. Ziel ist es, die Bildgebungsdaten mit kognitiven Tests in Beziehung zu setzen. Früheste Ergebnisse werden in etwa vier Jahren erwartet.

Kontroverse Reaktionen

Die Studien lösen unterschiedliche Reaktionen aus. Vertreter von Transgender-Lobbyverbänden sehen die Forschung kritisch. So argumentiert etwa Chay Brown von der Organisation "TransActual", die Randomisierung sei "ethisch problematisch", da die verzögerte Behandlung bei manchen Jugendlichen bedeute, dass sie geschlechtsspezifische Entwicklungen erleben müssten, die sie eigentlich verhindern wollten.

Andere Fachleute äußern dagegen, dass klinische Studien genau der Rahmen seien, in dem neue Behandlungsmethoden üblicherweise eingeführt würden. Einige argumentieren sogar, dass eine solche wissenschaftliche Begleitung schon vor über einem Jahrzehnt hätte stattfinden sollen.

Unsere Position zu "Pubertätsblockern"

Als IG Sexualbiologie begrüßen wir ausdrücklich die nun begonnene wissenschaftliche Evaluation des Einsatzes von sogenannten "Pubertätsblockern" im Jugendalter. Aus unserer Sicht ist es ethisch nicht problematisch, in klinischen Studien systematisch zu untersuchen, wie jungen Menschen mit Geschlechtsdysphorie bestmöglich und evidenzbasiert geholfen werden kann – im Gegenteil: Problematisch wäre vielmehr, auf solide Erkenntnisse zu verzichten und Behandlungswege ausschließlich auf Annahmen oder politischen Erwartungen aufzubauen.

Kritik, die klinische Studien zur Wirksamkeit und zu möglichen Risiken von GnRH-Analoga als "ethisch fragwürdig" betrachtet, bewerten wir daher ebenfalls kritisch. Medizinisch-ethische Entscheidungen müssen auf belastbare Daten gestützt sein. Forschung, die Transparenz, Nutzenbewertung und langfristige medizinische Sicherheit ermöglicht, stellt dafür eine Grundvoraussetzung dar.

Darüber hinaus verweisen wir darauf, dass ein ausschließlich affirmatives Behandlungsmodell – also ein Vorgehen, bei dem der subjektiv geäußerten Geschlechtsidentität ohne weitere diagnostische oder entwicklungsbezogene Abklärung therapeutisch gefolgt wird – selbst ethische Fragen aufwirft. Mehrere internationale Forschungsarbeiten haben den Hinweis geliefert, dass sich ein signifikanter Teil der Jugendlichen, die im frühen oder mittleren Teenageralter eine transidente Selbstwahrnehmung entwickeln, im Verlauf der natürlichen Pubertät anders orientiert. Insbesondere bei Jungen wurde beobachtet, dass sie sich im Zuge hormoneller Reifungsprozesse nicht langfristig als "trans" identifizieren, sondern sich zu homoerotisch veranlagten Männern entwickeln (siehe Geschlechtsdysphorie im Kindesalter: Das Phänomen der Desistenz).

Die Pubertät ist aus sexualbiologischer Sicht ein tiefgreifender Umstrukturierungsprozess von Hormonsystem, Identitätsentwicklung und Gehirnreifung. Dieser zentrale Entwicklungsabschnitt sollte nicht vorschnell pharmakologisch unterdrückt werden, bevor wissenschaftlich belastbar geklärt ist, welche kurz- und langfristigen Auswirkungen solche Eingriffe tatsächlich haben. Die neuen Studien in Großbritannien stellen daher aus unserer Sicht einen wichtigen Schritt dar, um bestehende Wissenslücken zu schließen und Jugendliche nicht nur gut gemeint, sondern vor allem gut begründet medizinisch zu begleiten.

Fazit

Die neuen britischen Studien stehen für eine Entwicklung, die auch international an Bedeutung gewinnt. Medizinische Versorgung junger Menschen mit Geschlechtsinkongruenz soll stärker wissenschaftlich abgesichert und langfristig evaluiert werden. Forschungsprogramme könnten entscheidend dazu beitragen, Risiken und Nutzen von sog. "Pubertätsblockern" differenzierter zu verstehen – unabhängig davon, wie man persönlich oder institutionell zu ihnen steht.

Sonntag, 23. November 2025

Gutachten aus den USA übt Kritik an pädiatrischen Verfahren zur Geschlechtsabweisung

Am 19. November 2025 veröffentlichte das US-amerikanische Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services, HHS) einen umfangreichen Bericht mit dem Titel "Treatment for Pediatric Gender Dysphoria: Review of Evidence and Best Practices". Das Dokument wird von der Behörde als "peer-reviewed" beworben und kritisiert medizinische Behandlungen von Minderjährigen, die aufgrund von Geschlechtsdysphorie sogenannte "Pubertätsblocker" (GnRH-Analoga), gegengeschlechtliche Hormone oder geschlechtsangleichende Operationen erhalten.

Inhalt des "Gender Dysphoria Reports"

Laut einer Pressemeldung des HHS kommt der "Gender Dysphoria Report" zu dem Schluss, dass diese medizinischen Eingriffe erhebliche und langfristige Risiken mit sich brächten und teilweise unzureichend kontrolliert oder dokumentiert würden. Das Dokument beschreibt ausführlich die derzeit übliche medizinische Praxis – also die Unterdrückung der natürlichen Pubertät und anschließend die Gabe von Hormonen des angestrebten Geschlechts – und analysiert deren mögliche Risiken und Nebenwirkungen. Als Alternativen werden eher psychotherapeutische oder abwartende Ansätze genannt sowie der Hinweis, dass sich Geschlechtsdysphorie bei manchen Jugendlichen ohne medizinische Eingriffe zurückbilden kann.

Die Autoren (allesamt Fachleute aus Medizin, Psychologie, Bioethik und Philosophie) sehen in solchen Behandlungen eine Übermedikalisierung von Jugendlichen und warnen vor möglichen gesundheitlichen Folgen wie Unfruchtbarkeit. Das HHS erklärt, sowohl die American Academy of Pediatrics (AAP) als auch die Endocrine Society eingeladen zu haben, Daten beizusteuern. Beide Organisationen hätten dies abgelehnt.

Mehrere führende Regierungsvertreter äußerten sich im Rahmen der Veröffentlichung in scharfer Kritik an bisherigen medizinischen Leitlinien in den USA. HHS-Sekretär Robert F. Kennedy Jr. bezeichnete geschlechtsangleichende Behandlung Minderjähriger als "Malpractice", also als berufliches Fehlverhalten. Auch Vertreter anderer Bundesbehörden beschrieben den Bericht als Wendepunkt in der US-amerikanischen Gesundheitspolitik.

Interessanterweise wählte das HHS in seiner öffentlichen Kommunikation zur Veröffentlichung des Berichts deutlich schärfere Formulierungen als das Dokument selbst. Auf X etwa sprach die Behörde davon, dass der Bericht klar zeige, dass geschlechtsverweigernde bzw. -abweisende Eingriffe bei Kindern gefährlich seien ("sex-rejecting procedures for children are dangerous"):


Im eigentlichen Text des Gutachtens findet sich eine solche drastische Wortwahl jedoch nicht. Dort wird vor allem kritisiert, dass Begriffe wie "gender-affirming care" einseitig positiv klingen und wesentliche medizinische Fakten verschleiern könnten. Statt polemischer Begriffe verwendet das Dokument neutralere Formulierungen wie "pediatric medical transition", wobei es im Ton sachlich bleibt. Der Kontrast zeigt, dass die politische Vermarktung der Studie zugespitzter ausfiel als das Gutachten selbst.

Einordnung und wissenschaftlicher Kontext

Der HHS-Bericht hat in den USA eine breite Debatte ausgelöst. Während einige Organisationen und politische Gruppen den restriktiveren Ansatz begrüßen, verweisen andere – darunter internationale Verbände – darauf, dass trans-affirmative medizinische Versorgung für Minderjährige in vielen Leitlinien weiterhin als anerkannte, evidenzbasierte Behandlung gilt. Auch die American Academy of Pediatrics, die Endocrine Society, die World Professional Association for Transgender Health (WPATH) sowie zahlreiche nationale Gesundheitsbehörden anderer Länder vertreten weiterhin die Position, dass "Pubertätsblocker" und Hormonbehandlung für bestimmte Jugendliche sinnvoll sein können. Die Datenlage werde dabei laufend überprüft.

Der "Gender Dysphoria Report" bietet – trotz kontroverser Diskussionen – einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte rund um die medizinische Behandlung von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie. Sein zentraler Wert liegt darin, dass er die vorliegenden wissenschaftlichen Daten umfassend und strukturiert aufarbeitet und durchaus kritisch prüft, wie tragfähig die bisherige Evidenz eigentlich ist und ob die bestehenden Behandlungsleitlinien den üblichen wissenschaftlichen und ethischen Standards entsprechen.

Positiv hervorzuheben ist vor allem, dass der Bericht internationale Entwicklungen einbezieht und zeigt, dass auch in anderen Ländern eine Neubewertung stattfindet. Er verweist darauf, dass Zurückhaltung und stärker psychologisch orientierte Behandlungspfade weltweit wieder mehr Gewicht bekommen. Damit schafft das Dokument eine Grundlage für eine sachliche und evidenzbasierte Diskussion, in der unterschiedliche Behandlungswege nicht als ideologische Konfliktlinien, sondern als medizinische Optionen mit unterschiedlichen Chancen und Risiken verstanden werden können.

Insgesamt bietet der Bericht damit keinen Rückschritt. Er lädt dazu ein, die Versorgung junger Menschen wieder stärker auf wissenschaftliche Standards, therapeutische Sorgfalt und eine ehrliche Risiko-Nutzen-Abwägung auszurichten.

Fazit

Der neue HHS-Bericht markiert einen deutlichen gesundheitspolitischen Kurswechsel in den USA. Er kritisiert bestehende Behandlungskonzepte für Minderjährige mit Geschlechtsdysphorie scharf und fordert strengere Bewertung von Risiken und Langzeitfolgen. Zugleich bleibt das Thema international hoch umstritten: Während einige Länder Behandlungen restriktiver gestalten, halten viele medizinische Fachorganisationen an affirmativer Versorgung fest. Für die wissenschaftliche Debatte bleibt entscheidend, dass sie auf verlässlichen Daten beruht. Der "Gender Dysphoria Report" liefert dafür eine Grundlage, der Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

Freitag, 21. November 2025

EU-Initiative gegen Konversionstherapien

In den vergangenen Monaten rückte eine Europäische Bürgerinitiative in den Fokus, die ein EU-weites Verbot sogenannter "Konversionstherapien" fordert. Auslöser waren unter anderem zugespitzte Kommentare, in denen die Befürchtung geäußert wurde, die EU wolle künftig Ärzte und Psychologen kriminalisieren oder Beratungsarbeit im Bereich der Geschlechtsidentität unmöglich machen. Doch was genau steht hinter der Initiative? Wie unterscheidet sie sich von der bestehenden Rechtslage in Deutschland? Und welche Folgen hätte ein EU-weites Verbot tatsächlich?

Was fordert die EU-Bürgerinitiative?

Die registrierte Europäische Bürgerinitiative "Verbot von Konversionsmaßnahmen in der Europäischen Union" verlangt von der EU-Kommission ein rechtsverbindliches Verbot aller Maßnahmen, die darauf abzielen, die umgangssprachlich als "sexuelle Orientierung" bezeichnete erotische Veranlagung, die Geschlechtsidentität (also das intrinsische Wissen über das eigene Geschlecht) oder den Geschlechtsausdruck (also die nach außen basierend auf gesellschaftlichen Stereotypen präsentierte Geschlechtszugehörigkeit) von sogenannten "LGBTQ-Personen" zu verändern, zu unterdrücken oder einzuschränken. Die Forderung geht dabei weit über medizinische oder psychologische Therapieformen hinaus. Als "Konversionsmaßnahmen" gelten nach dem Initiativtext auch religiöse Praktiken wie Exorzismen, hypnotische Beeinflussung, homöopathische "Behandlungen" oder andere Formen der psychischen oder physischen Manipulation.

Die Initiatoren sehen solche Eingriffe als menschenrechtswidrig und berufen sich auf Empfehlungen der Vereinten Nationen sowie einzelner EU-Gremien. Ziel sei daher ein EU-weiter Rechtsrahmen, der diese Praktiken untersagt – idealerweise über verbindliche europäische Normen und Mindeststrafen. 
 
In vielen EU-Staaten existieren gar keine oder nur sehr schwache Gesetze zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen. Die Initiative will daher eine Angleichung schaffen, um Betroffene auch in Ländern zu schützen, die bisher untätig geblieben sind. Welche Form diese Harmonisierung letztlich annimmt, hängt jedoch von politischen Mehrheiten ab. Denn eine registrierte Bürgerinitiative zwingt die EU-Kommission lediglich zu einer formalen Auseinandersetzung und einer offiziellen Antwort. Sie ersetzt nicht den Gesetzgebungsprozess und erzeugt noch kein Verbot.

Tatbestand als "Euro-Crime" gefordert

Ein besonders viel diskutierter Punkt ist die Forderung, Konversionsmaßnahmen in den juristischen Bereich der sogenannten "Euro-Crimes" aufzunehmen. Hinter dem technisch klingenden Begriff verbirgt sich ein Instrument des EU-Rechts: Die EU darf für bestimmte schwere Kriminalitätsbereiche eigene strafrechtliche Mindeststandards erlassen – etwa Terrorismus, Menschenhandel, Kinderpornografie oder Geldwäsche. Die Liste dieser Delikte ist jedoch nicht offen, sondern kann nur einstimmig durch alle Mitgliedstaaten erweitert werden.

Würde Konversionstherapie in diese Liste aufgenommen, könnte die EU direkt Eingriffe in die nationalen Strafgesetzbücher vorgeben. Politisch wäre das ein großer Schritt – und keineswegs selbstverständlich, denn Einstimmigkeit im Strafrecht ist notorisch eher schwer zu erreichen. Wahrscheinlicher wären leisere Wege, etwa eine Richtlinie zur Harmonisierung vorhandener nationaler Verbote oder Erweiterungen bestehender Gleichstellungs- und Opferschutzrichtlinien.

Situation in Deutschland

Deutschland hat bereits 2020 ein "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen" (KonvBehSchG) eingeführt. Dieses verbietet Konversionstherapien grundsätzlich bei Minderjährigen sowie bei Erwachsenen, deren Zustimmung aufgrund eines Willensmangels nicht frei erfolgt. Verstöße können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden, und auch Werbung oder Vermittlung ist untersagt.

Im Vergleich zur EU-Initiative fällt auf, dass das deutsche Gesetz sich auf "Behandlungen" konzentriert – also medizinische oder psychologische Eingriffe. Spirituelle oder nichtmedizinische Praktiken werden zwar nicht automatisch freigestellt, sind aber weniger ausdrücklich adressiert. Das EU-Konzept definiert Konversionsmaßnahmen erheblich breiter und würde auch Praktiken erfassen, die nicht von Fachpersonal durchgeführt werden.

Während Deutschland bereits strafrechtliche Sanktionen kennt, würde ein EU-Verbot diese harmonisieren oder verschärfen – je nach endgültigem Vorschlag der Kommission. Für Deutschland würde ein EU-Verbot daher keine völlige Neuerung darstellen, allerdings könnte es entweder Lücken schließen oder bestehende Regelungen ausweiten.
 

Gefahr für Behandlungs- und Diagnostikfreiheit

Besonders sensibel wird die Frage, wie ein gesetzliches Verbot von Konversionsmaßnahmen in der Praxis auf die diagnostische und therapeutische Arbeit wirkt. Denn zwischen offensichtlich übergriffigen Eingriffen – etwa der gezielten "Umpolung" gegen den Willen der betroffenen Person – und einer ergebnisoffenen klinischen Diagnostik entsteht ein Graubereich, der weder juristisch noch medizinisch bisher zufriedenstellend definiert ist.

In der Begutachtung und Behandlung von Geschlechtsdysphorie existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen, die nicht alle mit einer intrinsischen Transidentität gleichzusetzen sind. Dazu zählen etwa autogynophile Ausprägungen, traumatisch bedingte Identitätskonflikte, der Versuch, die eigene erotische Veranlagung zu überwinden, oder auch das aktuell häufig diskutierte Phänomen einer spät oder plötzlich auftretenden Geschlechtsdysphorie (Rapid-Onset Gender Dysphoria (ROGD)). Aus sexualwissenschaftlicher und psychotherapeutischer Sicht handelt es sich dabei jeweils um voneinander abzugrenzende Diagnosehypothesen, die im Rahmen einer sauberen Differenzialdiagnostik ohne Vorannahme des Ergebnisses geprüft werden müssen.

Genau hier entsteht die aus unserer Sicht berechtigte Sorge von Kritikern der EU-Initiative, dass ein weit gefasstes Verbot die notwendige diagnostische Offenheit einschränken könnte. Wenn bereits das Hinterfragen als Konversionsansatz gewertet werden kann, wird der Kern professioneller Diagnostik tangiert. Denn eine Diagnose setzt voraus, dass nicht nur mögliche "falsche" Interventionen ausgeschlossen, sondern auch unterschiedliche Entwicklungsmechanismen verstanden werden dürfen. Das gilt sowohl für Betroffene, die am Ende einer sozialen oder medizinischen Transition bedürfen, als auch für jene, bei denen Psychotherapie oder Psychiatrie zielführendere Wege sind.

Das führt zu einem zweiten Problem: Nicht in jedem Fall ist klar, welche therapeutische Richtung überhaupt als "Konversion" gelten würde. Eine Therapie, die beispielsweise trotz massiver intrinsischer Geschlechtsdysphorie ausschließlich darauf abzielt, die Person an ihr Geburtsgeschlecht anzupassen, würde zweifellos als konversionsorientiert gelten. Bei ROGD oder anderen erklärbaren Ursachen wäre hingegen das Gegenteil problematisch: wenn die psychischen oder sozialen Hintergründe ungeprüft bleiben und unmittelbar eine Transition eingeleitet wird, wäre das ebenfalls eine Form der unzulässigen Vorsteuerung des Ergebnisses – nur eben in die andere Richtung. Für die betroffene Person kann beides eine unerwünschte, externe Umformung des Selbst bedeuten.

Genau deshalb ist es entscheidend, dass Diagnostik nicht als Konversion fehlinterpretiert werden kann. Bisher leisten weder das deutsche Gesetz noch die europäische Initiative eine ausreichend klare Abgrenzung zwischen schädlicher Umpolung und legitimer diagnostischer Klärungsarbeit. Solange diese juristische Schärfung fehlt, bleibt das Risiko bestehen, dass Experten eher defensiv agieren – sei es aus Angst vor Fehlinterpretation, rechtlichen Konsequenzen oder öffentlichem Druck. Leidtragende wären dann vor allem diejenigen, die fachlich beraten werden möchten, bevor sie lebensverändernde Entscheidungen treffen.

Fazit

Die EU-Bürgerinitiative gegen Konversionsmaßnahmen verfolgt ein ernstes Anliegen: Sie will Praktiken verbieten, die von internationalen Organisationen und auch von uns als IG Sexualbiologie als schädlich, erniedrigend oder gar folterähnlich eingestuft werden. Viele Staaten, darunter Deutschland, haben solche Verbote bereits – andere noch nicht. Die Initiative würde also vor allem dort Wirkung entfalten, wo noch Schutzlücken bestehen und Betroffene bislang ungeschützt sind. Gleichzeitig zeigt die Debatte, dass eine saubere Begriffsarbeit notwendig bleibt. Ein Verbot darf nicht dazu führen, dass legitime psychotherapeutische Arbeit kriminalisiert oder politische Diskussionen tabuisiert werden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Europäische Kommission den Vorschlag der Initiative in konkrete Gesetzgebung überführt – und wenn ja, wie weitreichend sie tatsächlich ist.

Sonntag, 16. November 2025

"Intersex"-Hitler: Brauner Streifen im Regenbogen?

Am 12. November 2025 sorgte ein Artikel in 'The Times' für Aufsehen: Hitler had hidden genetic sexual disorder, DNA analysis reveals. Basierend auf einer DNA-Sequenzierung von Blutspuren aus dem Führerbunker enthüllt eine neue Channel-4-Dokumentation mit dem Titel "Hitler’s DNA: Blueprint of a Dictator", dass Adolf Hitler am Kallmann-Syndrom litt – einer genetischen Störung, die die Pubertätsentwicklung behindert.

Genetische Störung der hormonellen Pubertätsinduktion

Das Kallmann-Syndrom ist eine seltene Form des kongenitalen hypogonadotropen Hypogonadismus, bei der die Produktion von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) gestört ist. Genetisch bedingt – wie in Hitlers Fall durch eine Mutation im PROK2-Gen – führt dies zu einer fehlenden oder unvollständigen Migration von GnRH-Neuronen während der Embryonalentwicklung. Die Konsequenz: Die Hypophyse stimuliert die Hoden oder Eierstöcke nicht ausreichend, was eine verzögerte oder ausbleibende Pubertät verursacht. Das Syndrom korreliert häufig mit einem vollständigen Verlust des Geruchssinns (Anosmie). Aus sexualbiologischer Sicht ist das Kallmann-Syndrom faszinierend, weil es die Trennung zwischen primärer Geschlechtsdifferenzierung und sekundärer Pubertätsentwicklung verdeutlicht. Bei Männern wie Hitler manifestiert sich das oft in niedrigen Testosteronspiegeln, Kryptorchismus (nicht abgestiegene Hoden) und einer reduzierten Fruchtbarkeit. Die Dokumentation bestätigt dies durch eine Untersuchung aus dem Jahr 1923, die einen undescendierten Hoden bei Hitler feststellte – ein klassisches Symptom des Kallmann-Syndroms. 

Das Kallmann-Syndrom ist jedoch keine Disorder of Sex Development (DSD). Wie im Chicago-Konsens von 2006 festgelegt, betreffen DSD die frühe Geschlechtsdifferenzierung (z. B. Chromosomen oder Gonaden), nicht die pubertäre Hormonregulation [1]. Hitler war demnach nicht "intersexuell" im engen medizinischen Sinne. Stattdessen litt er an einer endokrinen Entwicklungsstörung, die durch Hormontherapie (z. B. Testosteron) heutzutage gut therapierbar ist. Seine DNA-Analyse unterstreicht hier die Macht der Genetik: Eine einzelne Genmutation kann lebenslange hormonelle Ungleichgewichte auslösen, ohne die Kernidentität des Geschlechts zu verändern. 
 

Methodik und sexualbiologische Relevanz

Die bahnbrechende Studie, geleitet von Prof. Turi King (University of Leicester), sequenzierte DNA aus einem 80 Jahre alten Blutfleck auf einem Sofastück aus Hitlers Bunker – verifiziert durch Y-Chromosom-Vergleich mit bekannten Verwandten. Dabei fanden die Forscher eine PROK2-Mutation, die mit dem Kallmann-Syndrom assoziiert ist und eine zehnprozentige Wahrscheinlichkeit für einen Mikropenis impliziert. Historische Anekdoten, wie Spottlieder aus dem Zweiten Weltkrieg über Hitlers Genitalien, gewinnen so biologischen Kontext. Besonders relevant ist, wie das Kallmann-Syndrom die Testosteron-abhängige Entwicklung beeinträchtigt: Niedrige Androgenspiegel können zu verminderter Libido und sogar sozialen Isolationen führen.
 
Die Analyse zeigt, dass das Kallmann-Syndrom bei Männern oft mit unvollständiger Penis- und Hoden-Entwicklung einhergeht, was die Fruchtbarkeit blockiert. Die Variabilität ist hier allerdings hoch; nicht jeder Betroffene erlebt dieselben Symptome. Die Studie demonstriert den Fortschritt der Genomik in der Sexualbiologie – von Einzelsnips (wie PROK2) bis zu polygenen Scores –, betont aber auch Grenzen im Kontext der Geschichte, die nicht durch DNA erklärt werden kann.
 
Die Erkenntnisse haben direkte Auswirkungen auf die moderne DSD- und Endokrinologie-Diagnostik. Das Kallmann-Syndrom kann heute durch Gen-Tests und Hormonprofile früh erkannt werden – oft bereits vor der Pubertät –, was eine präventive Hormonsubstitution ermöglicht und Komplikationen abwendet. Das Kallmann-Syndrom ist eine behandelbare Störung, keine "Abweichung" im Sinne von DSD. Es sensibilisiert für interdisziplinäre Ansätze, um Betroffene ganzheitlich zu unterstützen.
 

Ein krankheitsassoziiertes Gen bedeutet noch lange keine manifeste Erkrankung

Das Kallmann-Syndrom wird durch Mutationen in mehr als 40 verschiedenen Genen verursacht (u. a. PROK2, KAL1/ANO1, FGFR1). Die in der Studie gefundene PROK2-Variante gilt als pathogen – aber selbst hochpathogene Varianten zeigen eine unvollständige Penetranz und variable Expressivität.  Das heißt konkret, dass viele Träger solcher Mutationen kein oder nur ein mildes Kallmann-Syndrom (z. B. isolierte Anosmie ohne Hypogonadismus) entwickeln. Bei anderen bleibt die Pubertät komplett aus. Deshalb reicht eine DNA-Variante allein nie für eine Diagnose aus. Erst wenn zusätzliche Indikatoren vorliegen, wird die Diagnose final gestellt.

Dies ist bei Hitler im Nachhinein zwar nicht mehr möglich, dennoch sprechen mehrere unabhängige Befunde für eine manifeste Erkrankung:  Historisch dokumentierter Kryptorchismus rechts (Untersuchung 1923 im Landesgerichtsgefängnis Landsberg), Zeitzeugenberichte über Spott über Hitlers Genitalien, keine nachgewiesenen biologischen Kinder trotz jahrzehntelanger Beziehungen mit Eva Braun sowie die offenbar späte und unvollständige Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale (mutmaßlich schwacher Bartwuchs, hohe Stimmlage in frühen Reden).

Diese klinisch-anamnestischen Hinweise machen es sehr wahrscheinlich, dass die genetische Variante bei Hitler phänotypisch voll durchgeschlagen ist – also zu einem echten Kallmann-Syndrom mit Hypogonadismus führte. Ohne diese Zusatzinformationen wäre die bloße DNA-Aussage spekulativ geblieben.

Hitler unterm Regenbogen

Aus rein medizinischer Sicht war Adolf Hitler also nicht "intersexuell" da sein Kallmann-Syndrom keine DSD darstellt. Sein Karyotyp war 46,XY, die embryonale Geschlechtsdifferenzierung verlief normal, und seine Genitalanatomie war – abgesehen von Kryptorchismus und möglicherweise einem Mikropenis – eindeutig männlich. Wer jedoch der breiten, kulturwissenschaftlich geprägten Definition von Anne Fausto-Sterling folgt, wonach jede hormonelle, chromosomale oder anatomische Abweichung vom "platonischen Ideal" binärer Geschlechter bereits eine Form von "Intersexualität" darstellt, um deren Häufigkeit um den Faktor 100 auf 1,7 % zu überhöhen, der müsste Hitler konsequenterweise als "intersexuell" einstufen. Schließlich erfüllt er mit seinem hypogonadotropen Hypogonadismus und den daraus resultierenden atypischen sekundären Geschlechtsmerkmalen exakt jene Kriterien, die Fausto-Sterling beispielsweise bei Turner- und Klinefelter-Syndrom einbezieht. In manchen aktuellen, aktivistisch erweiterten Akronymen wie FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter*, Nichtbinäre, Trans*, Agender) würde er – streng nach dieser Lesart – mitgemeint sein. Ein neuer, sarkastisch-passender Buchstabensalat kursiert deshalb schon im Netz: FNHITLA. Ein absurder Beweis dafür, wie weit eine rein soziologische Ausweitung des "Intersex"-Begriffs von der biologischen Realität entfernt sein kann.

Fazit

Die DNA-Analyse von Hitlers Blut beleuchtet das Kallmann-Syndrom als Paradebeispiel für genetisch bedingte hormonelle Störungen. Eine PROK2-Mutation, die Pubertät behindert, ohne die Geschlechtsentwicklung als solche zu berühren. Hitler war zweifelsfrei männlich, kein uneindutiger "Intersex"-Zustand. Die Forschung fördert dennoch bessere Diagnostik und erinnert daran, dass Biologie nur ein Puzzleteil für ein besseres Verständnis historischer Ereignisse ist.
 

Quellen

[1] Peter A. Lee, Christopher P. Houk, S. Faisal Ahmed, Ieuan A. Hughes, in collaboration with the participants in the International Consensus Conference on Intersex organized by the Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society and the European Society for Paediatric Endocrinology; Consensus Statement on Management of Intersex Disorders. Pediatrics August 2006; 118 (2): e488–e500. DOI: 10.1542/peds.2006-0738

Mittwoch, 12. November 2025

Schweiz: Knast, weil es nur männliche oder weibliche Skelette gibt?

Gestern berichtete das Online-Magazin Apollo News: Schweizer muss zehn Tage in Haft, weil er schrieb, dass Skelette nur männlich oder weiblich seien

Eine Schlagzeile, die Empörung auslöst und den Eindruck erweckt, jemand werde in der Schweiz bestraft, weil er eine biologische Tatsache ausgesprochen habe. Doch dieser Eindruck ist irreführend. Der zugrunde liegende Fall betrifft nicht die Sexualbiologie, sondern eine strafrechtlich relevante Herabsetzung einer gesellschaftlichen Minderheit.

Hintergrund

Im Dezember 2022 kommentierte der Burgdorfer Emanuel Brünisholz auf Facebook einen Beitrag des SVP-Nationalrats Andreas Glarner. Unter dem Post schrieb er "Wenn man die LGBTQI nach 200 Jahren ausgräbt, wird man anhand der Skelette nur Mann und Frau finden" und fügte an, dass "alles andere eine psychische Krankheit sei, die durch den Lehrplan hochgezogen wurde". Mehrere Personen erstatteten daraufhin Anzeige wegen Diskriminierung. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren ein, und nach einer Einvernahme durch die Kantonspolizei Bern erließ sie einen Strafbefehl wegen "Diskriminierung und Aufruf zu Hass".

Brünisholz erhielt eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 Franken auf Bewährung sowie eine zusätzliche Buße von 500 Franken. Gegen diesen Strafbefehl erhob er Einspruch, das Regionalgericht Emmental-Oberaargau bestätigte das Urteil jedoch im Dezember 2023. Es sah in der Äußerung eine Diskriminierung und Herabwürdigung aufgrund "sexueller Orientierung" – also einen Verstoß gegen Artikel 261bis des Schweizer Strafgesetzbuches. Da Brünisholz die Buße nicht bezahlte, wurde schließlich eine zehntägige Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet, die er nun antreten soll.

Was die Sexualbiologie tatsächlich sagt

Tatsächlich enthält der Facebook-Kommentar eine biologische Komponente, die zunächst banal klingt: Wenn man nach 200 Jahren Skelette ausgräbt, wird man nur Mann und Frau finden. Diese Aussage wird in der Schlagzeile von Apollo News als der Kern des Konflikts dargestellt, was nicht nur juristisch falsch ist, sondern auch wissenschaftlich irreführend. Denn so eindeutig, wie es klingt, ist die Sache selbst aus sexualbiologischer und anthropologischer Sicht nicht.

In der osteologischen Anthropologie, also der Wissenschaft, die anhand von Skelettmerkmalen das biologische Geschlecht bestimmt, gilt: Es gibt keine dritte Skeletteigenschaft jenseits männlich oder weiblich. Das Geschlecht ist binär ausgeprägt, da es sich aus den zwei Fortpflanzungsrollen ergibt, die darüber definiert sind, welchen Typus von Sexualzellen (Gameten) ein Organismus potenziell produziert. Dieser Fakt ist unstrittig. Allerdings ist der menschliche Sexualdimorphismus – also die körperliche Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern – statistisch überlappend.
 
Osteologischer Geschlechtsdimorphismus am Beispiel des menschlichen Beckens.
Quelle: Henry Gray's Anatomy of the Human Body (20th ed.; Lea & Febiger, 1918)

Es gibt Merkmale, die typisch männlich oder typisch weiblich sind (z. B. Beckenform, Schädelstrukturen, Muskelansatzspuren) [1]. Zwischen den beiden Ausprägungen existiert aber ein Überlappungsbereich, in dem eine eindeutige Zuordnung anhand der Knochen schwierig oder unsicher ist. Deshalb arbeiten Forensiker und Anthropologen in der Regel mit fünf Bestimmungskategorien [2]:
  • Weiblich
  • Wahrscheinlich weiblich
  • Unbestimmbar / neutral
  • Wahrscheinlich männlich
  • Männlich 
Moderne Ansätze wie z. B. die FORDISC-Software liefern zudem Wahrscheinlichkeitswerte, die diese Kategorien unterstützen.

Auch wenn jedes Individuum biologisch entweder männlich oder weiblich war, lässt sich dies zwar in den meisten Fällen (anhand intakter Schädel etwa mit 80-90 %iger Sicherheit [3][4]), aber eben nicht immer mit absoluter Gewissheit an den Knochen erkennen – insbesondere nach Jahrhunderten oder bei unvollständigen Skeletten [5]. Und was sich ohnehin nicht aus Skeletten ablesen lässt, sind kulturelle Geschlechterrollen oder soziale Identitäten. Ob jemand in seiner Gesellschaft als Mann, Frau oder anders wahrgenommen wurde, bleibt eine Frage der Kultur, nicht der Knochen. Die Aussage, man werde immer nur männliche oder weibliche Skelette finden, ist also im Grundsatz richtig, aber in der Formulierung zu absolut. Fachlich korrekter wäre: In der Regel können Skelette einem der beiden Geschlechter zugeordnet werden; bei manchen Funden bleibt die Bestimmung unklar.

Solche Differenzierungen sind Alltag in der Anthropologie und selbstverständlich kein Gegenstand strafrechtlicher Auseinandersetzungen.

Biologie ≠ Diskriminierung

Wichtig ist also die Unterscheidung zwischen biologischer Feststellung und gesellschaftlicher Wertung. Die Biologie beschreibt Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern; das Strafrecht sanktioniert, wenn jemand Menschen abwertet. Brünisholz’ Kommentar verband die biologisch korrekte Feststellung (Skelette sind entweder männlich oder weiblich) mit einer abwertenden Bewertung ("alles andere ist eine psychische Krankheit"). Diese zweite Hälfte – die Pathologisierung von LGB(TQI)-Menschen – war der Grund für die Verurteilung. Wer also behauptet, in der Schweiz werde man "für Biologie eingesperrt", verdreht den Sachverhalt und instrumentalisiert Wissenschaft für politische Zwecke.
 
Der Artikel von Apollo News illustriert ein verbreitetes Phänomen: Wissenschaftliche Begriffe werden in der öffentlichen Debatte verkürzt und mit ideologischen Bedeutungen aufgeladen. Eine sachlich richtige, aber unvollständige Information (hier die Aussagen zum osteologischen Geschlechtsdimorphismus) wird aus ihrem Kontext gerissen, um eine kulturpolitische Empörungswelle zu erzeugen. Dabei wäre es gerade in der heutigen Zeit wichtig, zwischen biologischer Realität und ethischer Verantwortung klar zu unterscheiden. Biologische Fakten sind nicht politisch, aber ihre Instrumentalisierung kann es sehr wohl sein. In dieser Hinsicht stehen sich die selbsternannt "Woken" und ihre lautesten Gegner kaum nach – beide nutzen Biologie oft als ideologisches statt als wissenschaftliches Werkzeug.
 

Zur juristischen Problematik des Begriffs "queer"

Sicherlich ist es fragwürdig, wenn Meinungsäußerungen über eine nicht quantifizierbare Personengruppe wie die sogenannte "queere Community" überhaupt zu derartigen Strafprozessen führen. Lesben (L), Schwule (G), "Bisexuelle" (B), Transgender (T) und "Intersexuelle" (I) sind als Gruppen aufgrund typischer Merkmale und Eigenschaften klar definierbar und als Minderheiten erkennbar. Schwieriger wird es beim "Q“, also "queer". Der Begriff ist konzeptionell offener und kein fest umrissenes Merkmal, sondern eine Selbstbeschreibung, die im Grunde jeder für sich wählen kann. Er ist fluid, kontextabhängig und häufig politisch oder identitätstheoretisch aufgeladen, nicht biologisch oder medizinisch definiert. Wenn jedoch eine Gruppe so offen definiert ist, dass sie im Prinzip jede Person einschließen kann, stellt sich die Frage, ob eine pauschale, kritische oder gar abwertende Aussage über "queere Menschen" überhaupt juristisch als Diskriminierung einer konkreten Minderheit gewertet werden kann. Wenn eine Kategorie so weit gefasst ist, dass sie potenziell alle oder niemanden umfasst, wird die Anwendung von Strafnormen wegen Diskriminierung problematisch. 
 
Hinzu kommt, dass das "Q" inzwischen oft auch für "questioning" steht – also für Menschen, die ihre "sexuelle Orientierung" oder Geschlechtsidentität gerade hinterfragen. Auch diese Erweiterung macht den Begriff nicht klarer, sondern noch diffuser: "Questioning" beschreibt keinen stabilen Personenstatus, sondern einen vorübergehenden Prozess, den theoretisch jeder Mensch in irgendeiner Lebensphase durchlaufen kann. Die Umdeutung oder Vermischung von "queer" und "questioning" führt daher dazu, dass "queer" erneut zu einem Maximalbegriff wird, unter dem sich praktisch jede Form von Nicht-Eindeutigkeit oder Selbstsuche einordnen lässt. Damit wird die Gruppe, die angeblich geschützt oder adressiert wird, noch weniger abgrenzbar – was die strafrechtliche Einordnung weiter erschwert. 
 
Das Strafrecht verlangt, dass eine konkrete, bestimmbare Gruppe betroffen ist, deren Schutzbedürfnis erkennbar ist. Eine pauschale Kritik an einer ideologischen oder politischen Strömung (z. B. "die queere Bewegung" oder "die Queer-Theorie" in schulischen Lehrplänen) ist also nicht automatisch eine strafbare Diskriminierung, solange sie nicht auf die Herabwürdigung realer Menschen zielt. Hier verschwimmt die Grenze zwischen Meinungsäußerung über gesellschaftliche Konzepte und Herabsetzung realer Personen.
 
Entscheidend ist jedoch, dass der verurteilte Brünisholz nicht verurteilt wurde, weil er über biologische Tatsachen schrieb oder ein gesellschaftliches Konzept kritisierte, sondern weil er u. a. LGB-Personen und damit Personen aufgrund ihrer "sexuellen Orientierung" pauschal als "psychisch krank" bezeichnete. Der rechtlich relevante Punkt war somit nicht die Feststellung über männliche und weibliche Skelette oder Kritik an "queeren" Ideologien, sondern die persönliche Abwertung einer klar abgrenzbaren gesellschaftlichen Minderheit. Diese stellt einen Straftatbestand dar, was man aus radikal-liberaler Sicht zwar durchaus kritisch betrachten kann, denn Meinungsdelikte dürfte es in einem freiheitlichen Rechtsstaat eigentlich gar nicht geben. Nur totalitäre Regimes verbieten Worte. Aber solange die Rechtslage nicht vom Totalitarismus befreit wurde, muss man sich diesem beugen. Die Haftstrafe ergibt sich zudem nicht aus einer Meinungsäußerung an sich, sondern aus der Nichtzahlung der rechtskräftig verhängten Buße.

Fazit

Die Sexualbiologie steht nicht vor Gericht – wohl aber die Art, wie mit ihr argumentiert wird. Wäre die bloße Aussage, dass es nur männliche oder weibliche Skelette gibt, tatsächlich der Aufhänger eines Strafverfahrens, wären wir die ersten, die sich mit dem "Täter" solidarisieren. Der Fall Brünisholz zeigt jedoch nicht etwa, dass man in der Schweiz für biologische Tatsachen bestraft wird, sondern dass das Recht dort greift, wo öffentliche Äußerungen die Würde anderer Menschen verletzen. 
 
Gleichzeitig erinnert der Fall daran, dass Biologie differenziert betrachtet werden muss: Ja, es gibt nur zwei biologische Geschlechter, aber deren Bestimmung anhand von Merkmalen abseits der Gameten ist – insbesondere an Skeletten – in der Praxis probabilistisch und sagt nichts über individuelle Lebensentwürfe aus.

Quellen

[1] Henry Gray's Anatomy of the Human Body (20th ed.; Lea & Febiger, 1918)

[2] Beck, L.A. (1995), Standards for data collection from human skeletal remains. Edited by Jane E. Buikstra and Douglas H. Ubelaker. 272 pp. Fayetteville: Arkansas Archeological Survey Research Series No. 44, 1994. $25.00 (paper). Am. J. Hum. Biol., 7: 672-672. https://doi.org/10.1002/ajhb.1310070519

[3] Spradley, M.K. and Jantz, R.L. (2011), Sex Estimation in Forensic Anthropology: Skull Versus Postcranial Elements. Journal of Forensic Sciences, 56: 289-296. https://doi.org/10.1111/j.1556-4029.2010.01635.x

[4] Williams, B.A. and Rogers, T.L. (2006), Evaluating the Accuracy and Precision of Cranial Morphological Traits for Sex Determination. Journal of Forensic Sciences, 51: 729-735. https://doi.org/10.1111/j.1556-4029.2006.00177.x

[5] Spradley MK. Metric Methods for the Biological Profile in Forensic Anthropology: Sex, Ancestry, and Stature. Academic Forensic Pathology. 2016;6(3):391-399. doi:10.23907/2016.040

Samstag, 8. November 2025

Eine erstaunlich robuste Bindung

Wenn ein Spermium auf eine Eizelle trifft, beginnt einer der faszinierendsten Prozesse der Biologie. Seit Jahren ist bekannt, dass zwei Proteine bei der Befruchtung eine Schlüsselrolle spielen – Izumo1 auf dem Spermium und Juno auf der Eizelle. Doch wie genau diese beiden Moleküle miteinander interagieren, war bislang erstaunlich unklar. Ein kürzlich im Journal 'Nature Communications' erschienenes Paper von Boult et al. (2025) liefert eine spektakuläre neue Perspektive: Die Bindung der beiden Proteine ist mechanisch hochkomplex, extrem belastbar und besitzt Eigenschaften, die man bisher vor allem aus Bakterien oder Muskelproteinen kannte [1].


Der molekulare Handschlag der Befruchtung

Die Bindung von Izumo1 und Juno ist für die Verschmelzung der Gameten absolut unverzichtbar. Ohne diesen Kontakt kann ein Spermium die Eizelle nicht erkennen, nicht binden und somit nicht befruchten. Obwohl die Struktur der Proteine schon länger bekannt war, blieb unklar, wie die Bindung mechanisch funktioniert – besonders unter den realen Kräften, die im weiblichen Körper wirken. Denn Spermien schwimmen nicht sanft. Schon auf ihrem Weg zur Eizelle wirken Kräfte von über 100 pN, was die meisten Proteinbindungen zum Reißen bringen würde.

Das Forschungsteam aus Zürich und Basel zeigte nun erstmals, wie Izumo1 und Juno diesen Kräften standhalten und sie sogar verstärken.

Multi-State-Catch-Bond: Je stärker der Zug, desto stabiler die Bindung

Eine der wichtigsten Entdeckungen ist, dass Izumo1 und Juno einen sogenannten "Catch Bond" bilden. Anders als die meisten Bindungen, die unter Zugkraft schwächer werden ("Slip Bonds"), zeigen Catch Bonds das Gegenteil: Die Bindung wird stärker, je mehr Kraft darauf wirkt.

Die Forscher fanden konkret drei verschiedene mechanische Zustände (P0, P1, P2), zwischen denen die Bindung unter Last wechseln kann. Bei höheren Kräften entstehen stabilere Konformationen, die erst bei extremen Kräften jenseits von 600 pN aufbrechen – Werte, die für eukaryotische Proteine extrem ungewöhnlich sind. Diese dreistufige Mechanik ermöglicht es dem Spermium, auch unter den kräftigen Schlägen der eigenen Geißel stabil an der Eizelle zu haften.

Mittels Single-Molecule-Force-Spektroskopie und Molekulardynamiksimulationen konnte das Forschungsteam zeigen, dass das Izumo1:Juno-Modul sich unter Kraft strukturell reorganisiert. Dabei treten vorher unbekannte Kontaktflächen in Aktion, die neue Atombindungen erzeugen. Es bildet sich ein sekundäres Bindungsinterface, das im Kraftzustand stabilisiert wird und bisher in strukturellen Analysen nicht sichtbar war. Dieses Interface könnte ein neues pharmakologisches Ziel für Verhütungsmittel und Fertilitätstherapien darstellen. 

Die Ergebnisse legen nahe, dass Izumo1:Juno unter zwei biologischen Szenarien optimiert wurde:

Erstkontakt eines frei schwimmenden Spermiums

Hier wirken Kräfte um ~40 pN – genau der Bereich, in dem der Catch Bond besonders stabil ist.

Verankerung vor der eigentlichen Fusion

Hier erzeugt die Geißel Querkraftspitzen von 100–130 pN – ein Bereich, in dem die höheren mechanischen Zustände für Robustheit sorgen.

Der Mechanismus unterstützt demnach sowohl erfolgreiche Annäherung als auch die Vorbereitung auf die Membranfusion.

Bestimmte Juno-Mutation kann unfruchtbar machen

Die Forscher untersuchten außerdem eine mit Unfruchtbarkeit assoziierte Mutation: Juno H177Q. Obwohl diese Mutation die Grundbindung von Juno an Izumo1 kaum schwächt, bricht unter mechanischer Belastung ein entscheidender Mechanismus weg. Die Mutante kann den hochstabilen Catch-Bond-Zustand nicht mehr zuverlässig ausbilden. Unter den Kräften, die im Körper auftreten, hält die Bindung dann nicht lange genug, was erklären könnte, warum Frauen mit dieser Mutation ein höheres Risiko für idiopathische Infertilität haben. Damit liefert die Studie eine seltene direkte Verbindung zwischen molekularer Mechanobiologie und echter klinischer Problematik.

Fazit

Die Arbeit von Boult et al. (2025) revolutioniert unser Verständnis der Befruchtung. Die Begegnung von Spermium und Eizelle ist nicht nur biochemisch, sondern auch biomechanisch hochreguliert. Dass Izumo1 und Juno ein derart kraftabhängiges, mehrstufiges Catch-Bond-System bilden, zeigt, wie fein aufeinander abgestimmt und robust die Natur diesen ersten Schritt des Lebens gestaltet hat. Die Entdeckung eines sekundären Kraft-bindenden Interfaces und der Nachweis mechanischer Schwäche bei einer realen Unfruchtbarkeitsmutation eröffnen zudem neue Perspektiven für innovative Verhütungsmethoden bis hin zur Diagnostik und Therapie von Fertilitätsproblemen.

Quellen

[1] Boult, S., Pacak, P., Yang, B. et al. Multi-state catch bond formed in the Izumo1:Juno complex that initiates human fertilization. Nat Commun 16, 7952 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-62427-0

Donnerstag, 6. November 2025

Wissenschaftsbarometer 2025: Zwischen Vertrauen, Verantwortung und Polarisierung

Die Wissenschaft im Dialog gGmbH (WiD), die zentrale Organisation für Wissenschaftskommunikation in Deutschland, hat vor wenigen Tagen das neue Wissenschaftsbarometer 2025 veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine Bevölkerungsumfrage, die seit 2014 jährlich Einstellungen zu Wissenschaft und Forschung erfasst. Die diesjährige Erhebung wurde vom 4. bis 18. Juli 2025 über ein Online-Panel mit 2.011 Teilnehmern durchgeführt. Für uns als IG Sexualbiologie, die sich für wissenschaftliche Qualität in gesellschaftlich sensiblen Themenfeldern einsetzt, sind die Ergebnisse besonders interessant – nicht zuletzt, weil die diesjährige Ausgabe einen Schwerpunkt auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Polarisierung legt.

Stabiles Vertrauen in Wissenschaft

Das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung bleibt insgesamt stabil: 54 Prozent der Befragten geben an, der Wissenschaft hohes oder sehr hohes Vertrauen entgegenzubringen. Damit bestätigt sich der Trend der vergangenen Jahre. Dennoch bleibt die Frage, ob dieser Wert Anlass zur Beruhigung oder Grund zur Sorge ist. Einerseits ist es bemerkenswert, dass trotz zunehmender Komplexität öffentlicher Debatten weiterhin etwa jede zweite Person der Wissenschaft vertraut. Andererseits zeigt dieser Wert auch, dass fast die Hälfte der Bevölkerung kein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zur Forschung hat – ein Befund, der angesichts der zentralen Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für politische Entscheidungen und gesellschaftlichen Fortschritt durchaus Anlass zur Selbstreflexion gibt. Hinzu kommt, dass das Vertrauen stark vom Bildungsniveau abhängt: Während die Mehrheit der Menschen mit hohem Bildungsabschluss ein hohes Vertrauen äußert, tut dies die Mehrheit der Personen mit geringem formalen Bildungsniveau nicht. Diese Ungleichheit lässt auf strukturelle Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation schließen.

Ambivalenz bei Wissenschaftsaktivismus

Besonders aufschlussreich sind die Antworten auf Fragen zur Rolle der Wissenschaft in stark polarisierten öffentlichen Debatten. Die Mehrheit der Befragten wünscht sich, dass Wissenschaftler aktiv eingreifen, wenn Fakten verzerrt oder falsch dargestellt werden. Gleichzeitig stimmt etwa die Hälfte der Aussage zu, die Wissenschaft solle sich in stark polarisierten gesellschaftlichen Debatten möglichst neutral verhalten. Dieser scheinbare Widerspruch verweist auf ein diffuses Erwartungsgefüge: Die Bevölkerung möchte, dass die Wissenschaft korrigierend eingreift, aber ohne sich als politischer Akteur zu präsentieren.

Für uns ist dieser Befund zentral, denn er berührt eine Grundfrage unseres Selbstverständnisses. Wissenschaft ist deskriptiv, nicht normativ; sie beschreibt die Welt, statt sie im moralischen Sinne zu bewerten. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, der Politik oder Gesellschaft bestimmte Wege vorzuschreiben. Aber sie hat die Pflicht, dort klar Stellung zu beziehen, wo ihre Erkenntnisse verzerrt dargestellt, aus dem Kontext gerissen oder bewusst missinterpretiert werden. Gerade in hitzigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist wissenschaftliche Zurückhaltung oft verführerisch, aber gefährlich. Denn wenn Forscher schweigen, überlassen sie den Raum jenen Stimmen, die mit vereinfachten oder verfälschten Darstellungen arbeiten. In diesem Spannungsfeld zwischen Zurückhaltung und Eingreifen eine kluge Balance zu finden, ist eine der zentralen Herausforderungen moderner Wissenschaftskommunikation.

Skepsis gegenüber gendergerechter Sprache

Ein weiterer spannender Aspekt des Barometers betrifft die Debatte um gendergerechte Sprache und damit ein Schwerpunktthema unserer Initiative. Die Daten zeigen deutlich, dass ein Großteil der Befragten sich wünscht, dass gendergerechte Formen seltener verwendet werden. Auffällig ist, dass diese Skepsis auch unter Frauen dominiert. Hinzu kommt, dass Nutzer gendergerechter Sprache im Durchschnitt weniger sympathisch wahrgenommen werden. Offenbar dient die Sprache in dieser Debatte weniger als neutrales Kommunikationsmittel, sondern vielmehr als Marker kultureller Zugehörigkeit und politischer Positionierung.

Dieser Befund zeigt einmal mehr, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen rund um Geschlecht häufig nicht auf der Ebene empirischer Erkenntnisse geführt werden, sondern auf der Ebene sozialer Wahrnehmungen und ideologischer Zuschreibungen. Die Aufgabe von Wissenschaft besteht jedoch nicht darin, kulturelle Forderungen zu formulieren oder Zeitgeist-Narrative zu unterstützen, sondern die biologische Realität von Geschlecht präzise darzustellen. Gleichzeitig muss sie einschreiten, wenn biologische Forschung falsch kommuniziert wird – ein Problem, das in der Geschlechterdebatte seit Jahren besonders in postmodernen Denkschulen sichtbar ist.

Fazit

Das Wissenschaftsbarometer 2025 zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die Wissenschaft grundsätzlich schätzt, aber gleichzeitig mit Spannungen im Umgang mit wissenschaftlichem Wissen kämpft. Das Vertrauen ist stabil, aber nicht selbstverständlich. Die Erwartungen an Akteure der Wissenschaft sind hoch, aber häufig widersprüchlich. Und die Polarisierung wird stärker wahrgenommen, als sie faktisch ausgeprägt ist. Daraus ergibt sich ein klares Bild: Wissenschaft kann eine stabilisierende Rolle einnehmen – vorausgesetzt, sie kommuniziert klar und auf Grundlage ihrer Methoden. Wissenschaftler sollten daher falschen Interpretationen entgegentreten und gleichzeitig den Unterschied zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und gesellschaftlicher Normsetzung konsequent offenlegen.

Mittwoch, 5. November 2025

Aktivistische Forschung: Zwischen Erkenntnis und Engagement

In den Sozial- und Geisteswissenschaften (Humanities) mehren sich Forschungsansätze, die sich ausdrücklich als "aktivistisch" verstehen. Ein jüngstes Beispiel wurde im Journal 'Big Data & Society' veröffentlicht. Stevens & Doğan (2025) beschreiben darin, wie Transgender-Aktivisten Daten nutzen, um ihre Communities zu unterstützen und politische Veränderungen anzustoßen [1]. Ihre "Big Data" basieren dabei auf Interviews, die sie mit 16 Transgender-Aktivisten aus verschiedenen Bereichen führten – von Gesundheitsversorgung über Medienarbeit bis zu politischer Lobbyarbeit. Zugleich formulieren sie selbst den Anspruch, dass Fürsorge und Nützlichkeit für die Gemeinschaft wichtiger seien als "akkurate" oder "wahre" Daten.

Stevens und Doğan verorten ihre eigene Position dabei ausdrücklich innerhalb der untersuchten Community. Sie betonen mehrfach, selbst transidente Personen zu sein und schreiben, ihr Ziel sei es, "to use data to contribute to correction for epistemic disadvantage" ("Daten zu nutzen, um zur Korrektur epistemischer Benachteiligung beizutragen"). Diese Formulierung verdeutlicht, dass das Projekt nicht nur deskriptiv, sondern kompensatorisch angelegt ist. Forschung soll demnach bestehende Wissensungleichheiten und Machtasymmetrien ausgleichen. Aus erkenntnistheoretischer Sicht wird damit Wissenschaft bewusst als Werkzeug sozialer Gerechtigkeit definiert. Das ist selbst bei Offenlegung des normativen Anspruchs problematisch – insbesondere dort, wo politische Zielsetzung und empirische Überprüfung ineinander übergehen. Wenn Forscher ihr eigenes Erkenntnisinteresse als Teil einer kollektiven Fürsorgepraxis verstehen, verschiebt sich der Fokus von Erkenntnisgewinn hin zu Ermächtigung durch Forschung. Damit wird Wissenschaft selbst Teil der Intervention, nicht mehr Beobachterin des Gegenstands.

Dieser Ansatz wirft eine grundlegende erkenntnistheoretische Frage auf: Wie weit darf Wissenschaft sich in politische oder moralische Zielsetzungen einbinden lassen, ohne ihre methodische Unabhängigkeit zu verlieren?

Sciences: Wissenschaft als Methode

Die naturwissenschaftliche Tradition beruht auf Prinzipien wie Nachprüfbarkeit, Falsifizierbarkeit und intersubjektiver Kontrolle. Sie versucht, subjektive Interessen und moralische Präferenzen so weit wie möglich aus dem Erkenntnisprozess herauszuhalten. Das bedeutet nicht, dass Forscher "neutral" im Sinne einer Gefühllosigkeit wären, sondern dass die Methode so gestaltet sein sollte, dass persönliche oder politische Überzeugungen die Gültigkeit der Ergebnisse nicht bestimmen dürfen.

Aus dieser Perspektive ist Wahrheit keine Frage der Identität oder Zugehörigkeit, sondern der Evidenz. Erkenntnis entsteht dann, wenn Behauptungen so formuliert sind, dass sie überprüfbar und prinzipiell widerlegbar bleiben. Diese Offenheit ist Kern des wissenschaftlichen Fortschritts und sichert, dass Wissen nicht zur Meinung verengt wird.

Humanities: Wissenschaft als Moral

Stevens und Doğan betonen eine andere Herangehensweise. Wissen wird hier als situierte Erfahrung verstanden – also als Ergebnis der spezifischen Perspektive bestimmter sozialer Gruppen. Diese Idee entstammt der postmodernen Standpunkttheorie, nach der marginalisierte Positionen besondere Einsichten in gesellschaftliche Machtverhältnisse ermöglichen.

Durch einen solchen Forschungsansatz verschiebt sich jedoch der Fokus. Nicht mehr der methodische Nachweis steht im Zentrum, sondern das Ziel, Erfahrungen sichtbar zu machen und für politische Veränderungen nutzbar zu machen. Aus erkenntnistheoretischer Sicht entsteht hier ein Spannungsfeld. Wenn Daten primär nach ihrer Nützlichkeit für ein soziales Anliegen bewertet werden, tritt ihr Wahrheitsgehalt in den Hintergrund. Wissenschaft wird so zu einem Instrument der Parteinahme, was ihren Anspruch auf allgemeine Gültigkeit gefährdet.

Eine Forschung, die die Perspektive bestimmter Gruppen in den Mittelpunkt stellt, kann sicherlich wichtige Einsichten liefern, etwa über Diskriminierung, Zugangshürden oder gesellschaftliche Machtstrukturen. Kritisch wird es dort, wo diese Perspektive selbst zum Wahrheitskriterium erklärt wird – also wo nicht mehr empirische Überprüfbarkeit, sondern bloße Zugehörigkeit über epistemische Autorität entscheidet. Wenn "wahr" wird, was einer bestimmten sozialen Gruppe nützt, verschiebt sich die Wissenschaft in Richtung Erkenntnis relativ zum Standpunkt. Ein solches System verliert die Möglichkeit zur Selbstkorrektur, weil Kritik dann als Angriff auf Identität oder Moral interpretiert werden kann. In der Folge droht, dass Wissenschaft ihre Funktion als überindividuelles, rational überprüfbares Verfahren des Erkenntnisgewinns einbüßt.

Dass aktivistische Forscher diese Folgen in Kauf nehmen, ist bereits mehr als fragwürdig. Wenn solche Positionen aber darüber hinaus auch noch das Peer-Review-Verfahren eines führenden Fachjournals bestehen, ohne das einer der Begutachter auch nur leise Bedenken in  Hinblick auf eine Veröffentlichung hegt, offenbart dies den besorgniserregenden Zustand, in welchem sich "die Wissenschaft" befindet.
 

Objektivität als demokratisches Prinzip

Vonseiten der Social-Justice-Bewegung wird Objektivität fälschlich mit Macht oder Dominanz gleichgesetzt – als "Blick von oben" privilegierter, in der Regel weißer, heterosexueller Männer. Doch in der wissenschaftlichen Praxis ist Objektivität kein Herrschaftsinstrument, sondern ein Schutzmechanismus. Sie schützt Forschung vor ideologischer Vereinnahmung und ermöglicht, dass Erkenntnisse auch von Menschen geteilt werden können, die völlig unterschiedliche Werte vertreten.

In diesem Sinne ist Objektivität ein demokratisches Prinzip. Sie sichert, dass wissenschaftliche Aussagen öffentlich überprüfbar und argumentativ zugänglich bleiben. Wenn aktivistische Forschung den Wahrheitsanspruch durch moralische Dringlichkeit ersetzt, läuft sie Gefahr, die gemeinsame Sprache der Wissenschaft zu verlassen.

Öffentliche Förderung für fragwürdige Forschung?

Das hier diskutierte Paper weist eine Förderung durch das National Science Foundation Graduate Research Fellowship Program (NSF-GRFP) aus – ein Programm, das ursprünglich auf den MINT- bzw. STEM-Bereich (Science, Technology, Engineering, Mathematics) ausgerichtet ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass "Trans Data Epistemologies" primär in den Sozial- und Kulturwissenschaften zu verorten ist und keine empirisch-technische oder naturwissenschaftliche Forschungsarbeit im engeren Sinn darstellt. Die Förderung illustriert damit eine zunehmende Ausweitung des MINT-Begriffs in Richtung sozialwissenschaftlicher oder gar aktivistisch-kritischer Themenfelder, die lediglich einen formalen Bezug zu "Daten" oder "Technologie" aufweisen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf, ob wissenschaftliche Förderprogramme wie das NSF-GRFP, deren Mandat ursprünglich der Förderung naturwissenschaftlich-technischer Grundlagenforschung dient, künftig klarer zwischen empirisch-wissenschaftlicher und kultur- bzw. sozialtheoretischer Forschung abgrenzen sollten – nicht um Themenvielfalt oder Wissenschaftsfreiheit einzuschränken, sondern um Transparenz und Kohärenz in der Verwendung öffentlicher Forschungsmittel zu sichern.

Fazit

"Trans Data Epistemologies" von Stevens & Doğan (2025) steht exemplarisch für eine Bewegung, die Wissenschaft zunehmend als Teil gesellschaftlicher Kämpfe um Deutungshoheit versteht. Diese Perspektive mag politisch nachvollziehbar sein, sie verändert aber den epistemischen Auftrag der Forschung. Aus naturwissenschaftlicher Sicht bleibt entscheidend: Wissenschaft darf Empathie und Verantwortung haben, aber sie darf ihre methodische Distanz nicht aufgeben. Nur wenn Aussagen unabhängig von Überzeugung, Identität oder Zweck überprüfbar bleiben, kann Wissenschaft ihrem Kernauftrag gerecht werden, die Realität so zu beschreiben, wie sie ist – nicht, wie wir sie gern hätten.

Quellen

[1] Stevens, N., & Doğan, A. L. (2025). Trans data epistemologies: Transgender ways of knowing with data. Big Data & Society, 12(4). https://doi.org/10.1177/20539517251381694 (Original work published 2025)

Sonntag, 2. November 2025

Der wissenschaftliche Exodus von X zu Bluesky

Seit über einem Jahrzehnt galt X (ehemals Twitter) als digitaler Marktplatz der Wissenschaft. Preprints wurden geteilt, Konferenzen angekündigt, Kollaborationen geboren. Doch seit der Übernahme durch Elon Musk im Jahr 2022 hat sich das Bild dramatisch gewandelt. Viele Einzelakteure, Institutionen sowie wissenschaftliche Vereine und Dachverbände haben X verlassen und sind zu Alternativen wie Bluesky oder Mastodon gewechselt.

Eine neue Studie von David S. Shiffman und Josh Wester, veröffentlicht in Integrative and Comparative Biology, dokumentiert nun erstmals empirisch, den wissenschaftlichen Exodus von X zu Bluesky [1]. Die Autoren befragten 813 Forscher auf beiden Plattformen und kommen zu einem vernichtenden Urteil: Für jeden professionellen Nutzen, den Twitter einst bot, erhalten Wissenschaftler diesen heute effektiver auf Bluesky. Doch ist dieser "Massenexodus" wirklich repräsentativ für "die Wissenschaft" oder nur für einen Teil von ihr?

Was sagt die Studie?

Shiffman und Wester (2025) listen systematisch auf, welche professionellen Vorteile Twitter einst bot und wie diese auf X verschwunden sind. Die Vernetzung mit Fachkollegen oder zum Zwecke interdisziplinärer Kooperationen litt etwa unter einem Algorithmus, der Reichweite statt Relevanz belohnt. Auch die Wissenschaftskommunikation wurde von Trollen und Pseudowissenschaft überflutet. Auf Bluesky dagegen berichten die befragten Wissenschaftler von vielen Vorteilen gegenüber X. 92 Prozent fühlen sich dort willkommen, 78 Prozent haben X komplett verlassen oder stark eingeschränkt.

Die Studie ist methodisch solide, doch sie ist nicht repräsentativ. Die Stichprobe erreichte vor allem Wissenschaftler, die bereits ausschließlich oder zusätzlich auf Bluesky aktiv waren, was einen klaren Bias in Richtung Frühanwender und Unzufriedener mit X erzeugt. Es fehlt außerdem eine Kontrollgruppe derer, die ausschließlich bei X geblieben sind, und auch eine Netzwerkanalyse, die zeigt, wie viele Follower tatsächlich mitgekommen sind, oder wie hoch die Zahl derer ist, die auf lange Sicht Bluesky wieder verlassen.

Wer verlässt X wirklich?

Nicht alle Forscher packen ihre Koffer. Der Exodus verläuft selektiv. Klassische Wissenschaftler, die sich auf Daten, Methodik und Publikationen konzentrieren, bleiben häufig oder reduzieren ihre Aktivität nur leicht. Influencer aus der Populärwissenschaft mit hoher Reichweite wandern hingegen ab, betreiben aber oft Cross-Posting oder Shadow-Accounts. Die Studie zeigt somit einen klaren Trend unter politisch engagierten Akteuren innerhalb der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation (SciComm-Aktivisten). Insbesondere diejenigen, die sich zu gesellschaftsrelevanten Themen wie Klima, Diversität, öffentliche Gesundheit oder – wie in der Sexualbiologie – zu Geschlecht und Reproduktion äußern, verlassen die X in großer Zahl. Viele Wissenschaftler berichten, dass sie aus Angst vor Belästigung nicht mehr posten. Der Exodus ist hier also weniger ein wissenschaftlicher als ein emotionaler und kultureller Rückzug

Bluesky: Rettung oder Echokammer?

Bluesky bietet durchaus technische Vorteile gegenüber X: Ein chronologischer Feed verhindert algorithmische Manipulation, personalisierte Feeds ermöglichen fachspezifische Communities mit eigenen Moderationsregeln und das AT Protocol (Authenticated Transfer Protocol, kurz "atproto") verspricht langfristig echte Dezentralität. Doch kulturell entwickelt sich Bluesky zu einer geschlossenen Blase. Der Großteil der aktiven Wissenschaftler dort sind links-progressiv. Community-Labels wie "Pseudoscience" grenzen kontroverse Stimmen aktiv aus. Wer bleibt, fühlt sich sicher, wird aber selten mit Kritik herausgefordert. Bluesky ist kulturell dadurch zunehmend homogen.

Social Media war nie das Zuhause der Wissenschaft

Die eigentliche wissenschaftliche Kommunikation fand nie auf X oder Bluesky statt. Preprints auf bioRxiv oder PsyArXiv dienen der Entdeckung neuer Arbeiten, Journals und Peer Review sichern Qualität, ORCID und ResearchGate gewährleisten langfristige Sichtbarkeit. Social Media war stets bloß ein Marketing- und Networking-Tool – kein wissenschaftliches Instrument. Der Exodus vieler Kollegen nach Bluesky zeigt, dass X für engagierte Wissenschaftskommunikation unbrauchbar geworden ist – nicht aber für stille fachliche Kommunikation wie Paper-Posts oder Konferenzankündigungen. Bluesky wiederum bietet Schutz, droht aber zur geschlossenen Blase zu werden, in der Widerspruch fehlt.

Was bedeutet das für die Sexualbiologie? Unsere Disziplin ist doppelt betroffen: Unsere Themen sind politisch sensibel und ziehen bei einer differenzierten Kommunikation Hass sowohl von Seiten trans-exkludierender Radikalfeministinnen als auch von Seiten militanter Trans-Aktivisten an. Auf X gehen differenzierte Inhalte in der Masse an emotionalisierenden Informationen unter. Auf Bluesky wird berechtigte Kritik an Narrativen hingegen vorschnell aus dem Diskurs verdrängt. In diesem Spannungsfeld sind weder X noch Bluesky für eine sachliche, faktengestützte und zugleich ergebnisoffene Wissenschaftskommunikation geeignet.

Fazit

Die Shiffman/Wester-Studie ist ein wichtiger Weckruf, aber kein Grabgesang für X in der Wissenschaft. Sie zeigt, dass X für stille, fachliche Kommunikation nützlich bleibt. Bluesky ist die neue Heimat der politisierten Wissenschaftskommunikation – mit allen Risiken einer einseitigen Filterblase. Echte Wissenschaft braucht allerdings kein Social Media, sondern stabile, unabhängige Kanäle. Der Exodus ist also real, doch er betrifft vor allem die laute, politisierte Minderheit innerhalb der Wissenschaftscommunity. Die stille Mehrheit forscht jenseits der Plattformkriege einfach weiter.

Quellen

[1] D S Shiffman, J Wester, Scientists no Longer Find Twitter Professionally Useful, and have Switched to Bluesky, Integrative and Comparative Biology, Volume 65, Issue 3, September 2025, Pages 538–545, https://doi.org/10.1093/icb/icaf127

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